Nahverkehrskampagne
: Die lieben Kleinen brauchen Anreize

Alle guten Eltern wissen: Die lieben Kleinen lernen am besten, wenn man sie lobt. Positive Anreize geben, heißt das im Pädagogensprech. Verkehrssenatorin Junge-Reyer ist, um im Bild zu bleiben, die oberste Erziehungsberechtigte der AutofahrerInnen, und leider setzt sie die Regel nicht konsequent genug um. Natürlich ist es löblich, das WM-Verkehrskonzept mit einer Lass-dein-Auto-stehen-Kampagne zu verknüpfen. Leider basiert ihr Konzept vor allem auf warmen Worten, und das greift zu kurz.

KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE

Bei einem Weltereignis wie der Fußball-WM eine schnellere Taktung von Bussen und Bahnen und Fahrten rund um die Uhr anzubieten, ist keine Errungenschaft, mit der man sich brüsten kann. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Und es reicht längst nicht aus, um die geplante „Berlin steigt um“-Aktion konzeptionell zu unterlegen.

Die Gelegenheit, die eine überfüllte Stadt bietet, ist einmalig: Selbst eingefleischte Autofahrer könnten die U-Bahn entdecken, wenn der tägliche Stau droht. Statt es beim schlichten Appell zu belassen, müsste die Senatorin in Zusammenarbeit mit den Verkehrsunternehmen wahre Anreize schaffen. Warum kein WM-Ticket anbieten, mit dem Fans oder Nicht-Fans in den vier Wochen flexibel und günstig mobil bleiben?

Mit einem niedrigschwelligen Angebot würde sich die Stadt den Touristen als gastfreundliche Metropole präsentieren. Und so mancher Berliner könnte dauerhaft zum Nahverkehrsfan mutieren. Auch aus Sicht der Verkehrsbetriebe böte ein WM-Ticket Vorteile, denn der Werbeeffekt wäre enorm – und würde sinkende Einnahmen locker wettmachen. Leider herrscht in den Vorstandsetagen von BVG und S-Bahn nach wie vor das Motto: Rechnen wie die Weltmeister, aber die Kundenfreundlichkeit bekommt keine Chance.