Grüne sind am Rotieren

Hinter den Kulissen kungeln die Grünen ihre Listenplätze aus. Nur die vordersten Ränge sind für Spitzenleute wie Franziska Eichstädt-Bohlig reserviert. Weiter hinten tobt der Kampf um Mandate

VON MATTHIAS LOHRE

Den KandidatInnen ist es ernst, deshalb werden manche von ihnen schlechte Witze machen. Ausgerechnet am 1. April stimmen die Grünen über ihre Listenplätze für die Abgeordnetenhauswahl ab. Von einem Sympathie heischenden Aprilscherz auf der unberechenbaren Mitgliederversammlung könnte sich der eine oder andere entscheidende Stimmen versprechen.

Das Hauen und Stechen ist hinter den Kulissen voll im Gange. Wer schafft es ins Parlament? Wer nicht? Für den ersten Platz kandidiert unangefochten Franziska Eichstädt-Bohlig. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete ist noch nicht zur Spitzenkandidatin gekürt, doch die Wahl der bundesweit bekannten Städtebaupolitikerin gilt als sicher. Zwar gilt sie vielen Basisgrünen als reichlich pragmatisch, doch eine ebenbürtige Gegenkandidatin ist nicht in Sicht. Viele halten ihr zugute, dass die 64-Jährige den Kontakt zum Landesverband auch als Bundespolitikerin nie habe schleifen lassen.

„Alles über 14 Plätze ist Kür“, schätzt Ramona Pop. Damit stapelt die 28-jährige Abgeordnete tief. Bei der Wahl 2001 errang ihre Partei 14 Mandate, stabile Umfrage-Ergebnisse um die 15 Prozent lassen viele Grüne von 18 oder mehr Mandaten träumen. Entsprechend heftig ist das Gerangel um sie, wenngleich es bei den Grünen streng quotiert abgeht. Die ungeraden Plätze sind Frauen vorbehalten, für Neu-Parlamentarier reserviert sind die durch 3 teilbaren Ränge 3, 6, 9 und so fort. Die Kategorien „Frau“ und „neu“ erfüllt die TV-Journalistin Bilkay Öney, die für Platz 3 kandidiert. Die Mittdreißigerin ist Moderatorin des türkischen Fernsehsenders TRT und arbeitete als Pressesprecherin des Kreuzberger Bildungswerks.

Schon auf Platz 2 könnte es zum ersten Zweikampf kommen. Wahrscheinlich tritt gegen Fraktionschef Volker Ratzmann der Haushaltspolitiker Oliver Schruoffeneger an. Ein achtbare Niederlage gegen den kühl wirkenden Ratzmann könnte ihm, so die Vermutung von Parteifreunden, die Gunst der Abstimmenden sichern – und damit die Wahl auf einen hinteren, aber aussichtsreichen Platz.

Auf Platz 4 trifft Özcan Mutlu auf den Landeschef Till Heyer-Stuffer (siehe Interview). Die Wiederwahl von Fraktionschefin Sibyll Klotz (Platz 5), Kulturpolitikerin Alice Ströver (7) und Haushälter Jochen Esser (8) gilt als ausgemachte Sache. Auf Platz 6 kandidiert als männlicher Neuzugang der 24-jährige Exchef der Grünen Jugend Berlins, Benjamin Lux. Der Jurastudent will sich für Rechtspolitik stark machen. Sein weiblicher Gegenpart auf Platz 9 ist Anja Schillhaneck, bislang hochschulpolitische Referentin in der Grünen-Fraktion.

Danach wird es eng. Weil außer den Neuen-Plätzen keine Ränge Männern vorbehalten sind, kandidieren ab Platz 10 stets auch einige der 9 weiblichen Abgeordneten. Es gibt einen Frauenüberschuss in der Fraktion, und niemand will seinen Sitz räumen. Ab Rang 10 kandidiert auch Ramona Pop. Die Haushalts- und Jugendpolitikerin hat die Unterstützung der 400 Mitglieder starken Grünen Jugend.

An der Liste hängt, zur Liste drängt bei der Oppositionspartei alles. Seit 1995 errangen Grüne nur fünfmal ein Direktmandat für das Landesparlament. Die meisten müssen auf die Gunst der wankelmütigen Mitgliederversammlung setzen. Ein alter Spottvers lautet übrigens: „Heute ist der 1. April, da schickt man die Narren, wohin man will.“