„Rot-Rot packt vieles nicht an“

Nach fünf Jahren als Grünen-Landeschef zieht es Till Heyer-Stuffer ins Abgeordnetenhaus. Im Wahlkampf setzt er auf Wirtschaftsthemen, Bildung und Integrationsarbeit schon im Vorschulalter. Ein rot-grüner Senat wäre ihm am liebsten

taz: Glückwunsch, Herr Heyer-Stuffer. Seit genau fünf Jahren sind Sie Grünen-Landesvorsitzender. Warum wollen Sie es nicht bleiben?

Till Heyer-Stuffer: Ich bin jetzt der am längsten amtierende Landeschef unseres Landesverbands – die Partei ist gut aufgestellt. Erst will ich als Landesvorsitzender meine Partei in den Wahlkampf führen und dann meine Erfahrung aus drei Amtszeiten ins Parlament einbringen. Das tut der Partei sicher auch mal ganz gut.

Sie haben aber ein Problem. Außerhalb der eigenen Reihen kennt Sie kaum jemand.

Das sehe ich anders. Ich habe Kontakte in die Spitzen anderer Parteien, und das seit dem rot-grünen Übergangssenat im Jahr 2001. Außerdem kommt es letztlich auf die Qualität meiner Arbeit im Parlament an.

Was können Sie besser als Ihre Parteifreunde im Abgeordnetenhaus?

Die Partei verstehen. Aber als Fachgebiet bringe ich Wissenschaft und Forschung mit. Damit habe ich schließlich seit Jahrzehnten zu tun …

als TU-Vizepräsident von 1993 bis 1997 …

… und erfreulicherweise wird dieses Thema ein Schwerpunkt des Wahlkampfs.

Was wollen Sie erreichen?

Wir wollen 100.000 ausfinanzierte Studienplätze und die Förderung von disziplinübergreifenden Kooperationen in der Forschung. Und wir sind gegen die Einführung von Studiengebühren. Die würde die Zahl der Studierenden weiter drücken.

Ähnliches sagen auch SPD und Linkspartei. Was wäre anders, wenn die Grünen mitregierten?

Die rot-rote Koalition packt vieles nicht an. Beispiel Bildungspolitik: Uns geht es weniger um die Schulform und mehr um die Qualität des Unterrichts. Dafür brauchen die Schulen mehr Selbstständigkeit. Und wir müssen bereit sein, mehr Geld in die Schulen zu stecken. Für mehr Integration und Sprachförderung schon im Vorschulalter. In der Wirtschaftspolitik ist der Senat in Lethargie verfallen. Wir setzen dagegen auf die Förderung junger, kreativer Unternehmen oder die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude.

Wie wollen Sie das durchsetzen? Nach der September-Wahl werden die Grünen doch bestenfalls Teil eines Dreierbündnisses.

Nicht „bestenfalls“, denn das kann ganz anders ausgehen. In jüngsten Umfragen liegen wir sogar vor der PDS. Wir müssen nicht unbedingt zu dritt regieren.

Rot-Grün statt Rot-Rot-Grün?

Da legen wir uns nicht fest. Wir wollen drittstärkste Kraft werden und Regierungsverantwortung übernehmen.

Klaus Wowereit macht Ihrer designierten Spitzenkandidatin Eichstädt-Bohlig schöne Augen, er will mit ihr „öfter mal einen Kaffee trinken“, um die störrische Linkspartei auf Linie zu bringen. Was, wenn es beim Flirt bleibt – und die Grünen Opposition bleiben?

Das wird so nicht kommen, denn am 17. September werden Sie sehen: Berlin wird grün.

INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE