„Sie werden müssen“

Der Dresdener Finanzwissenschaftler Helmut Seitz hat im Auftrag des Senats die Bremer Finanzlage analysiert – und die CDU verärgert. Gestern stellte er sich, auf Einladung der Grünen, der Diskussion

taz: Herr Seitz, der Bremer Haus- und Hof-Ökonom Rudolf Hickel hat die ersten Informationen über Ihr Gutachten heftig kritisiert. Sie bieten keine Finanzierungsperspektive für den Stadtstaat, sagt Hickel.

Helmut Seitz, Finanz-Gutachter im Auftrag des Bremer Senats: Da hat der Kollege Hickel nur die Hälfte gelesen. Mein zweites Gutachten beschäftigt sich mit der Einwohnerwertung. Unter den gegebenen Bedingungen kann man da für Bremen nichts holen, man müsste eine Weisung des Bundesverfassungsgerichtes für ein neues Großstadtgutachten erreichen, das geht aber nur in Kooperation mit den beteiligten Ländern, die die Daten freigeben müssten.

Sie beschäftigen sich mit der Untergrenze der Primärausgaben für Bremen, also der Grenze möglicher Sparquoten. Bremen soll nicht das Hamburger Ausgaben-Niveau zum Maßstab nehmen, sondern 95 Prozent davon, schreiben Sie.

In dem Berliner Klageverfahren wird mit dieser Zahl gearbeitet. Ich habe mich an dem Flächenländer-Durchschnitt orientiert, aber das Ergebnis ist ziemlich dasselbe: 125 Prozent der Ausgaben der Flächenländer entsprechen etwa 95 Prozent des Hamburger Ausgabenniveaus.

Der Abstand zu Hamburg wäre der eigene Spar-Beitrag Bremens?

Bremen ist doch etwas ärmer als Hamburg, und wenn ich etwas ärmer bin, kann ich mir auch weniger Ausgaben leisten. Bei den laufenden Ausgaben, also im konsumtiven Bereich, hat Bremen seine Primärausgaben deutlich herabgesetzt, im Abschluss 2005 kommt man auf ungefähr 135 Prozent. Im investiven Bereich liegt Bremen bei 170 Prozent dessen, was Flächenländer sich leisten.

Die Investitionsquote muss runter?

Unzweifelhaft, aber auch im konsumtiven Bereich gibt es noch Hausaufgaben. Das ist eine Kritik, die muss sich Bremen anhören, ob es gefällt oder nicht. Im Bereich der laufenden Rechnung wurden die Ausgaben Bremens seit dem Jahre 2001 zurückgefahren – das hätte man vorher machen müssen!

Viele sagen in Bremen: Jetzt ist das Ende der Fahnenstange beim Kürzen der konsumtiven Ausgaben erreicht. Eine Relation von 135 Prozent zu den Flächenländern ist ja auch die derzeitige Einwohnerwertung …

Na Moment. 135 Prozent bei der Einwohnerwertung bezieht sich auf die Steuer-Einnahmen, mehr nicht. Aber ein Land hat auch andere Einnahmen. 135 Prozent Einwohnerwertung bedeutet nicht, dass ich mir 135 Prozent Ausgaben leisten kann. Was die Primärausgaben anbelangt, also Ausgaben netto der Zinslasten, ist die Relation, die Bremen sich leisten kann, noch niedriger.

Kann Bremen mehr sparen, ohne sich kaputt zu sparen?

Sie werden müssen.

Und wo? Wir haben hier keine drei Opernhäuser wie Berlin.

Dann müssen Sie woanders die Ausgaben herunterfahren. Sie können nicht mehr ausgeben als Sie einnehmen.

Aber wäre es eine stadtstaatengerechte Finanzausstattung, wenn sich Bremen kein Opernhaus mehr leisten könnte?

Wenn die Ausgaben nicht weiter mit denen der anderen Länder steigen, bringt das ja schon viel über die nächsten fünf Jahre. Unter den gegebenen Umständen muss ein Ausgabenniveau von 125 Prozent angepeilt werden. Und das hohe Bremer Investitionsniveau ist natürlich nicht auf Dauer finanzierbar, völlig klar.

Hat Berlin mit seiner Verfassungsklage eine gute Chance in Karlsruhe?

Im Grundsatz ja. Aber ich glaube nicht, dass Berlin die Beträge bekommt, von denen Finanzsenator Sarrazin nachts träumt. Und losgelöst von Bremen: Eine Länderneugliederung ist nach meiner Ansicht grundsätzlich erforderlich und sinnvoll. Interv.: kawe