Kalte Schulter aus HH

Hamburg spricht sich gegenüber dem Verfassungsgericht gegen weitere Hilfen für das Saarland aus. Für Bremen dürfte exakt dasselbe gelten

Bremen taz ■ Die Klage Bremens vor dem Bundesverfassungsgericht birgt auch Risiken, darin sind sich alle Experten einig – das Gericht könnte Positionen formulieren, die für spätere Verhandlungen ungünstig wären. Wie man die juristische Gefechtslage außerhalb Bremens beurteilen kann, hat der Münchener Verfassungsrechtsexperte Prof. Stefan Korioth jetzt in einer Stellungnahme für die Freie und Hansestadt Hamburg dargelegt. Anlass dafür war das Klageverfahren des Saarlandes – mit dem Bremen, das noch an seiner Klage feilscht, eine gemeinsame Verhandlung anstrebt. Für den juristischen Vertreter Hamburgs ist der Hilferuf nach Karlsruhe unter verschiedenen Gesichtspunkten unbegründet. Das Saarland habe die bisherigen Sanierungshilfen offenbar nicht konsequent zur Schuldentilgung verwendet, sei also selbst schuld an seinen immer noch drückenden Zinslasten, und die ins Feld geführte allgemeine Wirtschaftsflaute treffe alle.

Insbesondere aber, so Korioth, müsse der Gang zum Verfassungsgericht binnen sechs Monaten angetreten werden. Und da die Sanierungshilfen des Bundes schon zum 1. Januar 2005 ausgeblieben seien, sei diese Frist längst verstrichen, als das Saarland im September seine Klage einreichte. Das Land habe zudem schon deswegen kein „Rechtsschutzbedürfnis“ beim Bundesverfassungsgericht, weil nie versucht worden sei, auf dem ordentlichen Wege über eine Gesetzesinitiative im Bundesrat überhaupt Forderungen anzumelden. Diese Argumente dürften für Bremens Klage doppelt zutreffen: Bremen hat das ganze Jahr 2005 keine Anstrengungen unternommen, seine Ansprüche zunächst beim Bund und im Falle einer Ablehnung dann fristgerecht in Karlsruhe anzumelden.

Das Saarland trage zudem vor, mit den zur Schuldentilgung gewährten Mitteln sei es nicht gelungen, die Schulden zu tilgen. „Sollte dies zutreffen, dann läge darin das Eingeständnis, dass die Bundeshilfen nicht … zur Schuldentilgung verwendet wurden“, folglich liege „in rechtlicher Hinsicht“ nicht ein Haushaltsnotlagenland vor, „sondern ein gescheiterter Sanierungsfall“. Das Land habe seine Sanierungschance „vertan“. Bund und Länder hätten die Finanzverteilung einstimmig beschlossen. Eine im Nachhinein gerichtlich durchgesetzte dauerhafte „Sonderstellung innerhalb des bundesstaatlichen Finanzausgleichs“ könne es nicht geben.

Und überhaupt müsse, so Korioth, wenn eine Fortsetzung der Sanierungshilfe beantragt würde, dargelegt werden, „welche Sanierungsmaßnahmen ergriffen“ wurden. „Ein Land, das länger als zehn Jahre solidarische Hilfe in Anspruch nehmen will“, habe die „Pflicht, einen konkreten Sanierungsplan aufzustellen und zu begründen, warum rechtlich mögliche Ausgabenkürzungen ausgeblieben sind oder ausbleiben“. Wenn zur Begründung weiterer Hilfe die „konjunkturbedingte Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft“ herangezogen würde, dann räume das klagende Land damit ein, dass es eine Privilegierung wolle angesichts eines Problems, das alle Länder gleich treffe.

„Eigenständigkeit und politische Autonomie bringen es mit sich, dass die Länder für die haushaltspolitischen Folgen solcher Entscheidungen einzustehen haben“, formuliert Korioth. Übersetzt auf die bremische Problematik der überdurchschnittlichen Investitionsquote bedeutet das: Die Verantwortung für die fiskalischen Folgen – der Zinslast stehen keine entsprechenden Steuermehreinnahmen gegenüber – trägt allein Bremen. Der Föderalismus erlaube „Anderssein“, argumentiert der Gutachter Korioth, aber wenn eine Haushaltsnotlage „Folge des legitimen Andersseins“ sei, dann bestehe kein Anspruch auf „solidarische Hilfe“.

Klaus Wolschner