Werbung macht Schule

Immer mehr Berliner Schulen peppen ihren mageren Etat durch Spenden und durch Sponsoring auf.Experten befürchten deswegen, dass sich der Staat mehr und mehr aus der Verantwortung stiehlt

VON ALKE WIERTH

Grundschüler, denen auf dem Weg zum Klassenzimmer von lächelnden Werbeteams Müsliriegel oder Minijoghurts zugesteckt werden; Oberschüler, die sich in ihren vom Modehaus Hasi und Mausi gesponserten Schuluniformen auf von der Möbelfirma Elch spendierten höhenverstellbaren Stühlen niederlassen und mit von einer Internetfirma gespendeten Hochleistungs-PCs nach Infos für die nächste Klassenexkursion suchen. Die geht nach Indien und wird wiederum von der Modefirma finanziell unterstützt: Sie will den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass ihre T-Shirts fair und ökologisch hergestellt werden. So könnte die Zukunft in Berliner Schulen aussehen: Ein Traum – oder ein Albtraum?

Sicher ist: Einnahmen aus Sponsoring und Werbung werden für die Schulen immer wichtiger. Beinahe jeder zweite Pressetermin von Bildungssenator Klaus Böger (SPD) dreht sich um Sponsoring im weitesten Sinne: Seien es die tausend Fußbälle, die eine Sportschuhfirma an Schulen verschenkte, oder die Extrastunden für begabte Grundschüler, die die Stadtmöbelfirma bezahlt. Nur noch wenige Schulen kommen ganz ohne solche Unterstützung aus – und die, die es doch schaffen, tun es oft nicht freiwillig.

Während auf den Internetseiten manches Zehlendorfer Gymnasiums die Namen prominenter Sponsoren blinken, sucht man bei Schulen ärmerer Bezirke meist vergeblich nach Danksagungen für Computerbildschirme, Software oder auch Turnhallenmodernisierungen. „Wir konnten uns schon mal aus einem Baumarkt Holzreste abholen“, berichtet Heinz Winkler, Leiter der Leistikow-Hauptschule in Zehlendorf und Vorsitzender des Berliner Schulleiterverbandes. „Die wären sonst weggeworfen worden.“ Gegen Sponsoring hat er nichts einzuwenden. Aber: „Es gewinnt eben so sehr an Bedeutung, wie die öffentliche Förderung zurückgeht“, sagt Winkler.

Auch Inge Hirschmann, Leiterin einer Grundschule in Kreuzberg und Vorsitzende des Berliner Grundschulverbandes, hat prinzipiell nichts gegen Sponsoring. Zusätzliche Gelder oder Sachmittel zu requirieren sei für die Schulen geradezu existenziell geworden. Der offizielle Etat „reicht vorne und hinten nicht“, so Hirschmann. Dass zunehmende Unterstützung durch Sponsoren die Kürzungen öffentlicher Mittel sogar verstärken könnten, sieht sie so nicht, denn: „Das wird so oder so immer schlimmer, auch wenn wir kein Sponsoring annehmen.“

Wie Hauptschulleiter Winkler befürchtet aber auch Inge Hirschmann, dass Sponsoring bestehende Unterschiede zwischen Schulen weiter verstärkt: Denn Schüler aus einkommensstarken Familien und mit berufstätigen Eltern sind die viel versprechendere Kundschaft für spendable Unternehmen. Auch hätten die Eltern nicht nur selbst mehr Geld zum Spenden, sondern vor allem bessere Beziehungen, wenn es um das Werben von neuen Sponsoren geht.

„Bildung ist Aufgabe des Staates“, sagt Rose-Marie Seggelke, Vorsitzende der Berliner GEW. Sponsoring dürfe nicht missbraucht werden, damit der Staat sich aus der Verantwortung stehlen könne. Das sei nicht die Absicht, hält Schulsenator Böger entgegen – auf einer Pressekonferenz bei der Deutschen-Bank-Stiftung, die hochbegabte Migrantenkinder mit Geld- und Sachspenden unterstützt. „Aber auch Unternehmen haben Verantwortung.“

„Ja, aber“, sagt Hauptschulleiter Winkler. Sponsoring sei keine Sozialhilfe: „Ein Sponsor will auch etwas erreichen.“ Der Vorsitzende des Schulleiterverbandes befürchtet deshalb eine zunehmende Abhängigkeit der Schulen von Sponsoren.

Von dieser Gefahr sind die meisten Schulen derzeit aber noch weit entfernt. Fünf Jahre habe sie gebraucht, erzählt Inge Hirschmann, um die für den Aula-Ausbau ihrer Kreuzberger Grundschule notwendigen 15.000 Euro einzuwerben. Schulbrote für die Kinder werden also erst mal weiterhin selbst geschmiert werden müssen.