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: Ein Dorf macht dicht

„Aber hier leben, nein danke“, sagte sich zuletzt auch RTL II und schloss am Sonntag nach nur einem Jahr sein „Big Brother“-Dorf.

Unsere Begegnungen waren zuletzt flüchtig. Allenfalls die Startseite meines Internetanbieters hat mir noch regelmäßig aus dem „Big Brother“-Dorf erzählt. Dort waren die neuen Medien dann unter sich, das World Wide Web und die schöne neue Fernsehwelt. Zu vermelden hatten beide nicht mehr viel. Nicht einmal eine Verona Poth. Stattdessen wurde nun die Tochter von Pierre Litbarski durch die Pappkulissen in Köln-Ossendorf getrieben. Möglicher Erkenntnisgewinn: Was „Big Brother“ betrifft, schickte in dieser sechsten Staffel selbst die C-Prominenz lieber ihre Kinder vor.

Guido Westerwelle scheint dabei – was selten genug der Fall ist – als Seismograf der Verhältnisse zu taugen. Die Relevanz von „Big Brother“ glich zuletzt der des Offenen Kanals. Fernsehen gemacht von Laiendarstellern, gemacht für ein überschaubares Publikumsinteresse. Als Indiz dafür mag genügen, dass RTL II am Sonntag nicht einmal mehr erwähnte, dass diese Staffel ja eigentlich für die Ewigkeit gedacht war. Das „Big Brother“-Dorf war als radikale Parallelwelt angelegt – dort sollten Lebensläufe nicht nur unterbrochen, sondern tatsächlich gelebt werden. Nach 365 Tagen war nun damit Schluss. Und so hat sich Moderator Oli P. schon mal nach Alternativen umgeschaut – an der Seite von „Bernd, das Brot“ im Kinderkanal. Denn im Gegensatz zu „Big Brother“ gehört Oliver Petszokat zu den wirklich unterschätzten Medienereignissen: Er ist immer und gleichzeitig auch seine eigene Parodie.

Die Show taugt inzwischen zu niemandes Projektionsfläche. Nicht für die Sendeverantwortlichen, weil maue Quote und mickrige Werbeeinnahmen. Erst recht nicht für Medienoptimisten, die hier mal basisdemokratisches Fernsehen verorten wollten. Da könne es ja jeder zu medialer Popularität bringen. Von diesem „jedem“ vermittelte die Sendung in allen Staffeln ohnehin ein herrlich monochromes Bild: Arschgeweihe, Zahnfleischpiercings, Irokesenschnitt. Sieger Michael erfüllte nur ein halbes der genannten Kriterien, 250.000 Euro gab’s dafür.

Das Schlusswort gehört vielleicht Ivan, einem Containerdorfbewohner, der erst auf der Zielgeraden herausgevotet wurde: „Man hätte andere Entscheidungen anders treffen können.“ Ivan hat es in seinen ersten acht Post-„Big Brother“-Tagen immerhin zum Neun-Live-Moderator gebracht. Auch seine 15 Minuten Ruhm sind also vorbei. Es werden neue kommen. Schon im Herbst, dann startet eine klassische, weil wieder 100 Tage lange „Big Brother“-Staffel. Ohne Ewigkeitsanspruch und wohl auch ohne mediales Interesse. Clem