Die Kunst, einen Rat zu wählen

Kulturschaffende beleben mit dem „Rat der Künste“ ihre alte Interessengemeinschaft wieder. Bei der Wahl wurden demokratische Standards allerdings eher frei interpretiert

Berliner Künstler haben wieder eine Lobby. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit fanden am Montagabend Wahlen zum „Rat für die Künste“ statt. Das Wahlvolk bestand aus 100 Kulturschaffenden. Sie wählten aus 37 Kandidaten 19 Vertreter aus. Demokratischen Standards, wie sie in der Politik gelten, genügte das Procedere nicht. Wer wann zur Wahl geladen wurde, oblag der Willkür einzelner Institutionen. Doch die Wahl war weniger ein basisdemokratischer als ein symbolischer Akt. Eine sanft entschlummerte Legende des Berliner Kulturlebens wurde ins Reich der Lebenden zurückgeholt.

Als Reaktion auf dramatisch gekürzte Bundesmittel hatten sich Kulturinstitutionen 1994 zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Ziel des Rates war es, die Interessen der Kultur gegen die Kürzungspläne von Bundes- und Landespolitik zu verteidigen. Federführend bei Gründung und Organisation war Ivan Nagel, Vorsitzender der Sektion Bildende Kunst an der Akademie der Künste. In losen Zusammenkünften gelang eine Arbeit, die über Lobbypolitik einzelner Verbände hinausging. Ein wesentlicher Erfolg des Rates, der über 250 kulturelle Einrichtungen vertrat, war die Schaffung des Hauptstadtkulturfonds.

Doch nach Erreichen dieses wichtigen Erfolges 1999 nahm die Aktivität des Rates stetig ab und sank schließlich gegen null. Erst angesichts des drohenden Endes des Hauptstadtkulturfonds beschloss eine Vollversammlung neue Aktivitäten. Impulse kamen nun besonders vom HAU-Intendanten Matthias Lilienthal, der bei der Wahl am Montag auch die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Das Wahlergebnis zeigt deutlich, dass ein Generationswechsel stattgefunden hat.

Auf Platz drei ist mit Dorothea Kolland vom Neuköllner Amt für Kultur und Bibliotheken eine Vertreterin der institutionellen Seite gelandet. Kolland, die bereits im alten Rat aktiv war, begrüßt, dass die großen alten Herrschaften der Berliner Kulturpolitik von der Schaubühne bis zu den Berliner Festspielen Platz gemacht hätten für neue Gesichter aus der freien Produzentenlandschaft. Sie kritisiert jedoch, dass das Wahlsystem freie Bildende Künstler nur unzureichend berücksichtige.

Auf dem Wahlzettel wurden die Kandidaten nicht nach Kunstsparten, sondern nach Förderstruktur und Organisationsform unterschieden. So wurden zwar so unterschiedliche Institutionen wie die Transmediale oder die Werkstatt der Kulturen berücksichtigt. Freischaffende Einzelkünstler hätten jedoch keinen Platz gefunden auf dem Stimmzettel, kritisiert Kolland. Dadurch werde „schlimmem Verbandslobbyismus“, wie man ihn einst im Kulturrat erlebt habe, Tür und Tor geöffnet.

Mögliche Abhilfe könnte eine Nachrückliste von fünf weiteren Mitgliedern schaffen, welche von den 19 Mitgliedern bei der nächsten Sitzung am 13. März berufen werden sollen. NINA APIN