Finstere Aussichten für Flüchtlinge

Der Brandenburger Flüchtlingsrat legt eine Broschüre über Lebens- und Wohnbedingungen von Asylbewerbern vor. Darin wird unter anderem ihre abgeschiedene Unterbringungen in „Dschungelheimen“ mitten im Wald kritisiert

„Verträumte Stille erwartet den Besucher im zweitgrößten Ort der Märkischen Schweiz, etwa 50 Kilometer östlich vom Berliner Zentrum gelegen“, wirbt der „staatlich anerkannte Erholungsort Waldsieversdorf“ auf seiner Homepage um Gäste. Doch wohl nicht alle Menschen scheinen damit gemeint zu sein. „Unser Heim in Waldsieversdorf ist besonders abgeschieden im Wald gelegen. Zur nächsten Bushaltestelle müssen wir fast vier Kilometer, also eine Stunde, laufen. Zudem gibt es nur wenig Möglichkeiten zu telefonieren.“ So beschrieben im August 2005 die „Asylbewerber von Waldsieversdorf“ ihre Wohnsituation. Daran hat sich bis heute nichts geändert

Waldsieversdorf ist kein Einzelfall in dem Bundesland, betont Vera Everhartz vom Brandenburger Flüchtlingsrat. Am Montagabend hatte die Organisation in Potsdam ihre Broschüre unter dem Titel „UnHEIMliches Brandenburg“ über das Leben in Flüchtlingsunterkünften vorgestellt. Neben Waldsieversdorf stand das Flüchtlingsheim Bahnsdorf im Landkreis Oberspreewald-Lausitz besonders in der Kritik. Es zählt ebenfalls zu den so genannten Dschungelheimen, die mitten im Wald gelegen sind. Als sich die Flüchtlinge selbst mit den daraus entstehenden Problemen beschäftigen wollten, wurden sie ausgebremst: Nachdem sich mehrere HeimbewohnerInnen gemeinsam zur Anschaffung eines Autos entschlossen hatten, um für die 15 schulpflichtigen Kinder einen Fahrdienst zur Schule zu organisieren, teilte ihnen das Ausländeramt lapidar mit, dass die Haltung eines Autos nicht gestattet sei.

Dass Eigeninitiative von Flüchtlingen nicht gerne gesehen wird, wird in der Broschüre auch an anderer Stellte dokumentiert. So hatte die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Betreiberin des Rathenower Flüchtlingsheims gegen BewohnerInnen Anzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung gestellt. Sie hatten in einem Offenen Brief beklagt, dass ihre Post kontrolliert und das eingesetzte Sicherheitsunternehmen von Rechtsradikalen unterwandert werde. Die Klage wurde schließlich abgewiesen; die AWO hat den Sicherheitsdienst mittlerweile gewechselt. Doch der Leiter der AWO Havelland gibt sich unbeirrt: „Welches Urteil gesprochen wurde, ist für uns nicht von Interesse. Dass die Ermittlungsbehörden ermittelt haben und die Justiz ein Verfahren anstrengte, ist ein Erfolg.“

Bevölkerung aufklären

Vera Everhartz betonte, dass der Flüchtlingsrat mit der Broschüre die Bevölkerung für die Situation der AsylbewerberInnen sensibilisieren und ein Umdenken bei den PolitikerInnen bewirken will. Deswegen waren zur Vorstellung der Broschüre am Montagabend neben Flüchtlingen auch eine Heimleiterin und PolitikerInnen aus Brandenburg eingeladen.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Martina Münch betonte, dass man in ihrem Wahlkreis Cottbus die Flüchtlinge längstens ein Jahr in Heimen unterbringe und ihnen anschließend Wohnungen zuteile. Das sei sogar kostengünstiger; auch verbreitete Vorurteile in der Bevölkerung wären mit der Zeit verschwunden.

Die räumliche und soziale Ausgrenzung der Flüchtlinge fördere den Rassismus, heißt es in der Broschüre; die soziale Integration kann umgekehrt als Beitrag zum Abbau von fremdenfeindlichen Einstellungen in der Bevölkerung beitragen. Damit erklärt sich auch, dass die Broschüre von dem Projekt „entimon – Gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ finanziert wurde.

Ob sich an der Situation der Flüchtlinge in Brandenburg allerdings so schnell was ändert wird, muss allerdings bezweifelt werden. Bei der Vorstellung der Broschüre glänzte das Brandenburger Innenministerium durch Abwesenheit. Dessen Hausherr, Jörg Schönbohm (CDU), zählt zu den erklärten Befürwortern von Flüchtlingslagern. Peter Nowak

Die Broschüre „UnHEIMliches Brandenburg“ kann über den Brandenburger Flüchtlingsrat bestellt werden. Mehr Infos gibt es unter www.fluechtlingsrat-brandenburg.de