Stoiber reitet auf der Merkelwelle heim

Politischer Aschermittwoch in Passau. Zeit für Haudrauf und Hallodri. Aber wen soll Edmund Stoiber angreifen als Teil der großen Koalition? So beschimpft er Schröder und lobt Merkel. Erstaunlicherweise klappt es. Die bierseligen CSUler bejubeln ihn

AUS PASSAU MAX HÄGLER

Wenn der Höhepunkt am Schluss kommt, ist einem Redner der Jubel sicher. In Bayern ist die Heimat der Höhepunkt, und deshalb ist dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber der Jubel sicher, als er seine Aschermittwochs-Rede in Passau mit einem gefühlvollem Hohelied schließt: „Beim Anflug auf den Franz-Josef-Strauß-Flughafen sehen wir die Berge am Horizont. Und dann wiss' ma: Da sind wir zu Hause.“

Mit stehenden Ovationen feiern die 3.000 CSU-Anhänger ihren Chef, der beim CSU-Geburtstag vor einigen Wochen noch angegeben hat, nach seinem Berlin-Debakel „zu leiden wie ein Hund“. Und der mit seinen Schlussworten vielleicht sogar eine Begründung für seine Rückkehr nach Bayern gibt.

Eigentlich ist die alljährliche Veranstaltung in Niederbayern ein Ort für Haudrauf und Hallodri, eine Zusammenkunft von einigen tausend Devotionaliensammlern und treuen Parteigängern, und schon oft blies die CSU in Passau zum Angriff: auf die Linken, auf die SPD, auf die vermeintlichen Ausländerfluten. Doch dieses Jahr ist alles ein wenig anders, nur die Türken bekommen eins gewischt. Für CSU-Verhältnisse eine zahme Quote. Die Gründe sind nahe liegend: Zum einen sitzt die CSU mit am Berliner Regierungstisch – gegen die SPD kann man da schlecht wettern, und so gab es von Stoiber gar eine Durchhalteparole an den Sozi-Chef Matthias Platzeck: „Nicht von den Umfragewerten verunsichern lassen! Tragt keine Unruhe in die Bundesregierung hinein!“

Zum anderen ist Stoiber nicht mehr derselbe – seine Flucht aus Berlin hat sein Ansehen nachhaltig beschädigt, beinahe als Maulheld gilt er. Und auch vor dem Hintergrund der am Montag beginnenden CSU-Programmreform ist es nicht die Zeit für politische Experimente, stattdessen hat CSU-Generalsekretär Markus Söder die Besinnung auf Herz und Heimat angeordnet. Und das Mitschwimmen auf der Merkelwelle. „Angela Merkel hat in Ordnung gebracht, was Gerhard Schröder zerstört hat“, lobt Stoiber die neue USA-Politik. Sogar Dank hat er übrig: „Ich habe Frau Merkel dringlich gebeten, dass Bayern bei der EU-Förderung nicht schlechter gestellt wird als die österreichischen Grenzregionen. Sie hat es nicht vergessen. Dafür bin ich dankbar.“

Stoiber hat sich also wieder eingefügt in die Rolle des bayerischen Ministerpräsidenten. Zwar braucht er gut eineinhalb Stunden, um warm zu werden, und die CSU-Freunde ein paar Maß Bier, aber dann ist der Jubel groß. Edmund, Edmund schallte es bei Themen wie Bundeswehr im Innern, dem Erinnern ans christlich-abendländische Wertebild und vor allem bei dem Satz: „Eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU kommt für uns nicht in Frage.“

Bei so viel Wohlwollen kann Stoiber auch den Ärger ansprechen, den sein Sparkurs in Bayern hervorgerufen hat – der zweite Makel, der ihm zu schaffen macht in letzter Zeit. „Wie viele Demonstrationen muss ich aushalten. Jede Kürzung wird als sozialer Kahlschlag gebrandmarkt“, klagte er. „Aber wo ist der Skrupel, wenn wir unseren Kindern 80.000 Euro Schulden hinterlassen?“ Stoiber wehrt sich wieder, nicht trotzig, sondern mit dem Auftreten eines Mannes, der überzeugt ist von dem, was er tut. Oder in seinen Worten: „Nur wer die Werte selbst beherzigt, für die er eintritt, kann andere davon überzeugen.“

In grauem Anzug und mit rosa Krawatte tritt er auf statt im erwarteten Lodenjanker und beweist auch inhaltlich manchmal beinahe so etwas wie Liberalität. Das Leitbild der CSU bleibe die Ehe und die Familie, aber natürlich gebe es auch andere Lebensentwürfe. „Auch für diese Menschen muss die CSU da sein.“

Stoiber habe den Menschen aus dem Herzen gesprochen, ist hinterher das Urteil der CSU-Anhänger. Doch manch ein Parteigänger hat auch nach all dem bierseligen Fahnenschwenken das letzte Jahr nicht vergessen. „Er hat sich aus dem Schlammassel geredet“, urteilte etwa Klaus Kreis aus Passau, der den Aschermittwoch schon zu Zeiten von Franz Josef Strauß erlebt hat. „Für ihn persönlich war es sicher ein guter Neuanfang. Aber er muss weiter bauen.“