DIE KRITIK AN DER FÖDERALISMUSREFORM GEHT IN DIE FALSCHE RICHTUNG
: Mehr Demokratie auf Länderebene

Die massive Kritik am „Paket“ der Bundesregierung zur Reform des deutschen Föderalismus ist gewiss berechtigt. Statt mehr Klarheit über die jeweiligen Kompetenzen produziert die Reform mehr Rechtsunsicherheit. Sie wird im Ergebnis die Kluft zwischen armen und reichen Bundesländern vergrößern und dem Bund die Möglichkeit nehmen, dort einheitliche Standards zu erlassen, wo dies unerlässlich ist. Aber diese Kritik bei Medien, Sachverständigen und Politikern bewegt sich zuweilen in eine gefährliche Richtung. Von der „Hydra des Föderalismus“ ist die Rede, der bekanntlich so viele Köpfe nachwachsen, wie ihr abgeschlagen wurden. Man spricht von den „Feudalfürsten“ in den Ländern, als ob es um demokratisch nicht legitimierte Machthaber ginge.

Was ist diesem Subtext der Kritik gemeinsam? Man macht eine artige Verbeugung vor der bundesstaatlichen Verfassung, um dann zu suggerieren, dass sie eigentlich – gemessen an den Anforderungen unserer Tage – nicht mehr zeitgemäß sei. Was soll uns, so die Frage, diese Vielzahl von ebenso teuren wie nutzlosen Funktionsträgern auf Länderebene, diesen Gschaftlhubern, deren hauptsächliche Beschäftigung darin bestehe, ihre Privilegien zu verteidigen? Sind die „Länder“ nicht ein überkommenes Konstrukt aus der deutschen Geschichte, ideologischer Ballast, zum größeren Teil zudem auf sich gestellt nicht lebensfähig? Der zu Grunde liegende Gedanke ist stets der gleiche: Nur zentralstaatliche Lösungen sind effektiv.

Diese Wolke des Unbehagens verdunkelt, worum es bei der Reform des föderalen Systems eigentlich gehen müsste: um Demokratisierung. Bislang wuchs die Macht des Bundesrates auf die Bundesangelegenheiten stetig, während gleichzeitig die Parlamente der Bundesländer über immer weniger zu entscheiden hatten.

Nach der Logik der Demokratisierung müssten also die Kompetenzen der Landtage gestärkt werden. Auf diese Weise könnten die Identitätsreserven für den demokratischen Prozess erschlossen werden, die das nach wie vor starke landsmannschaftliche Bewusstsein in Deutschland bereithält. Der Bundesrat hingegen wäre zu Gunsten einer zweiten, gewählten Kammer aufzulösen. Denn der Bundesrat ist nichts als ein Monstrum aus der Zeit nach der Reichseinigung, als das „Deutsche Reich“ als Fürstenbund konzipiert wurde. Die Bundesländer hingegen müssten erst noch in die Lage versetzt werden, ihre Potenzen für einen demokratischen Föderalismus fruchtbar zu machen: für einen Wettbewerb nicht des Geldes, sondern der Ideen und Problemlösungen. CHRISTIAN SEMLER