Die Kinderkrankheiten der Linkspartei
: KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE

Ist der Traum von einer gesamtdeutschen Linken zerplatzt? Noch nicht. Aber die Lage ist ziemlich konfus. Die Linksdogmatiker in der Berliner WASG meinen, dass sie die Basis-Abstimmung gegen die Fusion mit der PDS knapp gewonnen haben – die Spitzen von PDS und WASG hingegen reden sich das Ergebnis als Votum für die Fusion schön. Bodo Ramelow, der Fusionsbeauftragte der PDS, beteuert grimmig, dass die WASG in Berlin nun vertragsgemäß nicht gegen die PDS antreten werde. Der Berliner PDS-Chef Lederer erklärt indes, dass man die WASG nun als Konkurrent ansehe. Offenbar weiß die Linkspartei selbst nicht so genau, wie sie das WASG-Votum interpretiert. Klarheit wird es nur vor Gericht geben.

Politisch wollen Ramelow und WASG-Chef Klaus Ernst das Richtige – die Trennung von den Dogmatikern in der WASG. Mit Leuten, die die PDS für „neoliberal“ halten und die Weltrevolution beschwören, kann man nur scheitern. Der öffentliche Eindruck – zwei Linke, drei Meinungen – mag derzeit unschön sein. Aber das ist ein kleines Übel, verglichen mit der Aussicht, sich ewig mit wütenden Ex-PDSlern und destruktiven Trotzkisten herumärgern zu müssen, die auch noch den Fundi-Flügel in der PDS stärken. Besser also ein Ende mit Schrecken.

Vielleicht haben wir es also mit einer Kinderkrankheit der Linkssozialdemokratie zu tun: schmerzhaft, unvermeidlich, aber nicht tödlich. Doch sicher ist das nicht. Ernst und Ramelow wirkten gestern nervös, schroff und autoritär. Und das ist kaum der richtige Ton, um der WASG Vernunft beizubringen. Die WASG ist ein instabiles, flüchtiges Gebilde mit wackligen Mehrheiten. Viele habe jahrelang die Direktiven der SPD-Oberen ertragen und nun ganz wenig Lust, sich wieder sagen zu lassen, wo es langgeht. Die WASG-Basis ist eigensinnig – und damit die große Unbekannte im Spiel. Klaus Ernst riskiert nun eine Machtprobe – und kann mit seiner eigenwillige Deutung des Berliner Ergebnisses auch die zögernden WASGler ins Fundi-Lager treiben.

Die Parteispitzen brauchen viel Geduld und Klugheit, um die Basis unfallfrei durch die Fusion zu schleusen. Die Zweifel, dass sie genug davon haben, sind seit gestern gewachsen.