WASGler jetzt mit zwei Wahlalternativen

Die WASG-Basis stimmt knapp für einen eigenständigen Wahlantritt – gegen die Linkspartei. Der Vorstand sieht sich in seinem Konfrontationskurs bestätigt. Doch der Linkspartei-freundliche WASG-Flügel formiert sich. Und plant bereits die Abwanderung

von ULRICH SCHULTE

Die WASG steht in Berlin vor der Spaltung. Der Linkspartei-freundlichere Flügel spricht dem eigenen Landesvorstand die Legitimation für einen eigenständigen Wahlantritt ab. „Wenn er tatsächlich nach diesem Ergebnis die Wahlbeteiligungsanzeige einreicht, wird die Spaltung vollzogen“, sagte Felix Lederle von der WASG Charlottenburg-Wilmersdorf gestern.

Der Vorstand hatte am Mittag das Ergebnis der Urabstimmung bekannt gegeben. Demnach hat die Basis mit einer knappen Mehrheit von 51,6 Prozent für einen eigenständigen Antritt bei der Abgeordnetenhauswahl im September votiert: 272 Mitglieder stimmten für den Alleingang, 245 stimmten bei 10 Enthaltungen dagegen. 64 Stimmen wurden als ungültig bewertet. Es beteiligten sich nur 69 Prozent der rund 860 eingetragenen Mitglieder. Der Vorstand fühlt sich in seinem Konfrontationskurs gegen die Linkspartei bestätigt: „Heute hat der Wahlkampf begonnen“, sagt Mitglied Rouzbeh Taheri. Am knappen Ergebnis sei die „massive Nein-Kampagne“ des Bundesvorstands schuld.

Das sehen die Bundesfunktionäre anders, und auch im Landesverband werden die Töne schärfer: „Der Vorstand ist mit seinem Kurs gescheitert“, sagt Lederle. „Wenn gerade mal ein Drittel aller Mitglieder für den Alleingang stimmt, ist dies eine äußerst schwache Legitimation.“ Eine Reihe von WASGlern werde nun Doppelmitgliedschaften anstreben und bei der Linkspartei eintreten.

Neben dem Bezirksverband Charlottenburg wollen auch die Neuköllner WASGler einen gemeinsamen Antritt mit der Linkspartei. „Es ist politischer Wahnsinn, einen Wahlkampf zu beginnen, der sich auf 272 Mitglieder stützt“, sagt Klaus-Dieter Heiser, der die Rixdorfer Initiative vertritt. Angesichts der geringen Wahlbeteiligung, der Enthaltungen und der vielen ungültigen Stimmen habe so ein knappes Ergebnis „allenfalls formale Gültigkeit“.

Die hohe Zahl der ungültigen Stimmenabgaben ist bemerkenswert. Die Ursache dafür war das komplizierte Verfahren: Wer abstimmen wollte, musste den Stimmzettel und eine eidesstattliche Erklärung einsenden, WASG-Mitglied zu sein. In zwei Umschlägen, wohlgemerkt, um die Anonymität zu gewährleisten. Der Vorstand verschickte die Stimmaufforderung allerdings nur mit einem Rückumschlag. Laut Lederle waren die meisten der als ungültig gewerteten Stimmen zusammen eingetütet. „Ein fragwürdiges Verfahren“, so das Fazit des Vorstandskritikers.

Die Befürworter der Zweisamkeit beider Parteien formieren sich, während Vorstandsmitglied und erklärte Linkspartei-Kritikerin Lucy Redler bereits den Einzug einer „sozialen Opposition“ ins Abgeordnetenhaus prognostiziert. Am Dienstag treffen sich – auf Einladung der Neuköllner WASG – alle, die mit der Entscheidung nicht einverstanden sind. Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer lockt bereits: Wer ein gemeinsames Linksprojekt wolle, finde in der Ex-PDS immer eine Ansprechpartnerin.

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