Rot-Rot redet sich WASG weg

Der WASG-Alleingang bei der Wahl könnte die linken Kräfteverhältnisse in Berlin verschieben. In der Koalition gibt man sich gelassen. Doch die Grünen wittern Morgenluft: „Die PDS kriegt ein Problem“

von ULRICH SCHULTE

Das Bild einer rot-roten Abenddämmerung heraufzubeschwören wäre übertrieben. Aber die Strategen der Linkspartei diskutieren gerade besorgt, welche Folgen der WASG-Alleingang bei der Wahl aufs rot-rote Bündnis haben könnte: „Fest steht, dass das Erscheinungsbild des Streits die WählerInnen nicht gerade einlädt“, sagt Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer. Die monatelangen Querelen für beide Seiten waren schon peinlich genug, doch nun wird es auch noch eng im linken Lager: Neben SPD, Linkspartei und Grünen kämpft auch die WASG um Wähler.

Der WASG-Vorstand will nach dem mit 51,6 Prozent denkbar knappen Votum der Basis für den Alleingang schnell Nägel mit Köpfen machen. Gestern Abend trafen sich die Funktionäre, um festzulegen, wann die WASGler die Wahlbeteiligung beim Landeswahlleiter anzeigen. Als wahrscheinlicher Termin gilt der 13. März. An Selbstbewusstsein fehlt es den Rebellen nicht: Als Ziel gibt WASG-Vorstandsmitglied Lucy Redler „fünf Prozent plus X“ heraus.

In Linkspartei und SPD hält man das für illusorisch. „Ich kenne keine einzige tragfähige stadtpolitische Idee der WASG“, sagt Lederer. Er attestiert dem Bündnis zwar einen „Reiz des Neuen“, der Linkspartei-Wähler anziehe, die mit einzelnen Sparentscheidungen unzufrieden seien. Aber sein Fazit lautet: „Das wird sich totlaufen. Ich mache mir keine großen Sorgen.“ Auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion wiegelt ab: Die WASGler hätten sich so ins Abseits manövriert, dass kein vernünftiger Mensch sie wählen könne, so Christian Gaebler.

Man gibt sich gelassen in der rot-roten Koalition, demonstrativ gelassen. Denn Meinungsforscher attestieren den Linksabweichlern durchaus Potenzial. Eine Emnid-Umfrage sah die WASG in der vergangenen Woche bei drei Prozent. Die SPD kommt auf 37 Prozent, die CDU auf 25 Prozent. Die Linkspartei, die bei der Wahl 2001 über 22 Prozent der Zweitstimmen einsackte, ist auf 13 Prozent abgerutscht.

Noch ist die rot-rote Mehrheit nicht in Gefahr. Doch wenn die WASG tatsächlich die 5-Prozent-Hürde nimmt, mischt sie die linke Sitzverteilung im Abgeordnetenhaus ordentlich auf. Der lachende Dritte in dieser Gemengelage könnten die Grünen sein. Die Möglichkeit, in einer rot-rot-grünen Konstellation an die Macht zu kommen, rückt näher. „Die PDS bekommt ein Problem. Und wir kommen unserem Ziel näher, drittstärkste politische Kraft zu werden“, analysiert Fraktionschef Volker Ratzmann nicht ganz uneigennützig. Die WASG entlarve schließlich die „Doppelzüngigkeit“ der Linkspartei. „Die WASG postuliert genau das, was die Linkspartei im Bund fordert.“ Dass die Neubewerber mit ihren illusionären Forderungen am Ende ein Ergebnis um fünf Prozent einfahren könnten, hält Ratzmann für möglich. „Es gibt in der Stadt ein breites Nicht-Wählerspektrum.“

Unterdessen ging der Streit um die Deutung des Basis-Votums weiter. In einer Erklärung forderte der WASG-Bundesvorstand die Berliner auf, die Gespräche mit der Linkspartei wieder aufzunehmen.

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