In Österreich boomen die Abschiebungen

Die Auswirkungen des zum Jahresbeginn verschärften Ausländerrechts sind unmenschlicher, als die Kritiker befürchtet hatten. Doch die Regierungsparteien in Wien freuen sich über die sinkende Zahl von Einwanderern und Asylbewerbern

AUS WIEN RALF LEONHARD

Frau Zou Youeying hat ihr Eheglück mit einem Österreicher nicht lange genießen können. Im Mai 2005 heiratete die 40-jährige Chinesin, dann stellte sie einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung. Dessen Bearbeitung wurde von den Behörden verschleppt. So befand sie sich Anfang dieses Jahres plötzlich illegal im Land und wurde in Abschiebehaft genommen.

Denn zum 1. Januar trat das verschärfte Ausländerrecht in Kraft, das in Österreich Fremdenrecht heißt. Einer Berufung gegen einen Abschiebungsbescheid kommt seitdem keine aufschiebende Wirkung mehr zu. Letzten Donnerstag wurde die Frau in ein Flugzeug nach Peking verfrachtet. Von dort war sie geflohen, weil sie die Einweisung in ein Arbeitslager fürchtete. Ihr Asylantrag in Österreich wurde jedoch negativ beschieden.

Derzeit haben nur Flüchtlinge aus Tschetschenien relativ gute Chancen, in Österreich Asyl zu bekommen. Wenn sie nicht den Fehler machen, über einen so genannten Dublin-Staat einzureisen. Nach dem Abkommen von Dublin muss das Asylverfahren in dem EU-Staat stattfinden, der das Visum ausgestellt oder die illegale Einreise nicht verhindert hat. Herr A. aus Tschetschenien wurde deshalb nach Polen abgeschoben. Polen – diese Praxis ist in Österreich bekannt – schob ihn bald zurück nach Russland. Wenig später wurde A. in seinem Heimatort umgebracht. Das ist einer der Fälle, welche die Grünen gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen dokumentiert haben, um die Härten der neuen Gesetzgebung zu dokumentieren. Demnach hatten selbst KritikerInnen der Gesetzesverschärfung deren Auswirkungen unterschätzt.

In den letzten Monaten wurden Familien zerrissen, hochschwangere Frauen von ihren Männern getrennt, Kinder in Abschiebehaft („Schubhaft“) gesteckt, transportunfähige oder schwer traumatisierte Kranke unter Polizeibegleitung zur slowakischen Grenze gebracht. Aus Flüchtlingslagern in der Slowakei gibt es Berichte von Folter.

„Es ist eines Staates wie Österreich unwürdig, dass Minderjährige in Schubhaft genommen werden“, klagt die Grüne Menschenrechtssprecherin ,Terezija Stoisits. Seit Jahresbeginn habe die Anordnung von Abschiebehaft um 40 Prozent zugenommen. Die Haft, so die gelernte Juristin, solle von Gesetzes wegen einzig der Sicherung der Abschiebung dienen. Jetzt werde die Abschiebehaft prinzipiell über alle Menschen verhängt, die aus dem Dublin-Raum kommen. Kürzlich wurde ein minderjähriger Mongole von seiner Adoptivmutter und deren Kleinkind getrennt und sechs Wochen in Salzburg in Abschiebehaft genommen. Weder für seine Festnahme noch für die spätere Freilassung nannten die Behörden Gründe.

Auch in das Privatleben österreichischer Staatsbürger wird drastisch eingegriffen. Eine Lehrerin, die einen US-Amerikaner ehelichte, musste erfahren, dass sie zu wenig verdiene, um mit einem Ausländer leben zu dürfen. Nach Abzug der Miete erreichte ihr Einkommen nicht die erforderlichen 1.056 Euro. Der Ehemann, der derzeit kein eigenes Einkommen hat, bekam daher keine Aufenthaltsbewilligung.

Ehen mit abgelehnten AsylbewerberInnen gelten grundsätzlich als „Scheinehen“, geschlossen mit dem Motiv, sich den Aufenthalt zu erschleichen. Ein Gegenbeweis ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der ausländische Ehepartner muss in sein Heimatland – aus dem er vielleicht aus gutem Grund geflohen ist – zurück und darf dann dort bei der Botschaft Österreichs die Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Sie wird nach frühestens einem Jahr gewährt. Das Eingehen einer „Scheinehe“ ist für beide Partner strafbar. Sie können aber durch Selbstanzeige Straffreiheit erwirken. Die Organisation Asyl in Not nennt das eine Einladung zur Denunziation und einen eleganten Weg, einen ausländischen Partner ohne aufwändiges Scheidungsverfahren loszuwerden.

Das so genannte Fremdenpaket wurde letztes Jahr von Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) und Justizministerin Karin Gastinger (BZÖ) ausgeheckt und schließlich auch mit den Stimmen der SPÖ abgesegnet. Die ÖVP, die sich gern als Familienpartei inszeniert, ist mit der neuen Gesetzeslage sehr zufrieden. Sie sieht sich durch die sinkende Zahl von Einwanderern und Asylwerbern bestätigt.