Ein „Schöngeist“ auf Stimmenfang

Ingmar Knop will die DVU wieder in den Landtag von Sachsen-Anhalt führen – und das Image der Rechtsradikalen aufpolieren. Die völkische Partei war nach ihrem sensationellen zweistelligen Wahlergebnis vor acht Jahren schnell auseinander gebröselt

AUS DESSAU MICHAEL BARTSCH

Auf dem Klavier in seiner Dessauer Wohnung liegt ein Notenstapel, Beethoven-Sonaten obenauf. Ingmar Knop hätte an der Leipziger Musikhochschule auch ein Studium als Konzertpianist beginnen können. Doch mit der Wende 1990 sei sein Entschluss gereift, sich gesellschaftlich zu engagieren und Jura zu studieren, sagt der smarte Rechtsanwalt. Der aktive protestantische Christ erwähnt aus seinen renitenten Jugendjahren in der DDR sogar Aufkleber „Schwerter zu Pflugscharen“ und andere Aktionen mit dem linken Pfarrer Friedrich Schorlemmer, bevor man politisch auseinander driftete. Am kommenden Sonntag hofft Knop nun, seinen 31. Geburtstag mit dem Einzug seiner DVU in den Landtag von Sachsen-Anhalt feiern zu können.

Knop ist der einzig präsente und präsentable Kopf der Deutschen Volksunion in Sachsen-Anhalt. Durch seine Intellektuellenbrille schaut er von einem Wahlplakat in die visionäre Ferne, ein Novum im sonst nur auf markige Sprüche setzenden DVU-Wahlkampf. Die Zukunft möchte Knop „für alle Menschen lebenswert und nachhaltig mitgestalten“. Politik will er durch Wertorientierung von Pragmatismus und „Faszinationslosigkeit“ befreien. Und: Der Weg zur Selbstbefreiung der Nation führe über das von äußerer Bevormundung befreite „völkische Ich“.

Der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat bezeichnet sich selbst als „Schöngeist“. Das passt nicht so recht zum Niveau der DVU-Plakatsprüche wie „Schnauze voll!“ oder „Kriminelle Ausländer raus!“ Als eloquenter Anwalt fällt ihm aber auch dazu eine Erklärung ein: Zur Wählerklientel gehörten nun einmal einfache Menschen, die oft nur durch die Umstände an der Entfaltung ihrer Talente gehindert seien. Deshalb wolle man sie „im Herzen erreichen“. Warum war dann die gesamte Legislaturperiode über von der DVU nichts zu hören und zu sehen? „Wir werden ja von den Medien totgeschwiegen.“ Gerade hat Knop vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht erreicht, dass ihm das MDR-Fernsehen Sendezeit im Ländermagazin ab 19 Uhr einräumen muss.

Die DVU versucht, das Image der nach 1998 gescheiterten Landtagsfraktion abzulegen. Sensationelle 12,9 Prozent hatte der Ableger der Partei des Münchner Verlegers Gerhard Frey damals erreicht. Doch in der Landtagsfraktion saßen dann ein früherer Stasi-IM, ein Tierquäler, ein Frauenverprügler und ein später wegen Untreue verurteilter Fraktionsvorsitzender. Von diesen Leuten ist keiner mehr dabei, auch keine Überbleibsel der 2002 nur knapp gescheiterten Schill-Partei.

Die angeblich so schlagkräftige neue Mannschaft ist indessen nur im Internet zu sehen. Wahlveranstaltungen gibt es nicht. Der MDR und die Magdeburger Volksstimme gingen den Spuren der anderen drei Spitzenkandidaten nach und fanden heraus, dass sich Oberstudienrat Waldemar Stanko und Glasermeister Frank Rabach nur zeitweise von Dortmund und Berlin umgemeldet haben. Ihre angeblichen Wohnsitze wirken verwaist. Sie seien halt beim Plakatkleben und bei Gesprächen mit Wählern, heißt es in Knops Büro. Auf Platz vier der DVU-Landesliste kandidiert gemäß Parteienabsprache der NPD-Landesvorsitzende Andreas Karl, ein „Bürger des Deutschen Reiches“, gegen den die Staatsanwaltschaft Halle wegen Verstoßes gegen das Insolvenzrecht ermittelt.

Einer möglichen Landtagsfraktion könnte es also ähnlich ergehen wie 1998. Dennoch glaubt nicht nur Knop, dass die DVU in den Umfragen mit 2 bis 4 Prozent unterschätzt werde. Der Wahlkampfetat beträgt angeblich nur eine halbe Million Euro, aber die Nationalisten plakatieren so viel wie alle anderen zusammen. Gescheitert scheint die Werbung mit einer Schulhof-CD „Stolz und frei“. Weder Kultusministerium noch die Grünen haben sie in nennenswertem Umfang auftauchen sehen, obwohl angeblich 250.000 Stück in München gebrannt wurden.