Die Rückkehr der kalten Krieger

Das Parlament streitet über die „Verhöhnung der Stasi-Opfer“, vor allem aber über die Zukunft des Kultursenators. Ein Antrag auf eine Rüge für Flierl scheiterte aber an der SPD

Schon das Thema der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus war emotionsgeladen: „Berlin duldet keine Verhöhnung der Stasi-Opfer durch die Täter“, so der Titel des Oppositionsantrags. Vor vollen Rängen debattierte man gestern den Umgang mit DDR-Geschichte, Opferschutz und Zivilcourage – und vor allem die politische Zukunft des amtierenden Kultursenators Thomas Flierl (Linkspartei). Die Opposition hatte beantragt, Flierl für sein Verhalten bei einer Diskussion zur Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen vor einer Woche zu rügen. Dort war er ihrer Meinung nach den Provokationen von Ex-Stasi-Mitarbeiter nicht entschlossen entgegengetreten.

Die verschiedenen Redebeiträgen griffen voll in die emotionale Klaviatur der Politikersprache. Die SPD-Abgeordnete Karin Seidel-Kalmutzki nannte das Verhalten der Stasi-Männer „ungehörig, unvorstellbar, unverfroren, unverschämt!“ Bewegt schilderte sie das Schicksal eines Bauern, der wegen Protest gegen die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft im Knast landete. Die Debatte um Stasi-Opfer dürfe nicht dem Wahlkampf zum Opfer fallen, so Seidel-Kalmutzki.

Ihre Parlamentskollegen sahen das offenbar anders. Nicolaus Zimmer von der CDU ätzte, Flierls „Formulierungsschwierigkeiten“ den Stasi-Funktionären gegenüber sei nicht nur seiner Feigheit geschuldet, sondern habe „System“. Martin Lindner (FDP) setzte ganz auf polemischen Wortwitz. Er sagte, Flierl sei für das Amt des Stiftungsratsvorsitzenden einer Stasi-Gedenkstätte so geeignet wie „ein Fleischermeister für den Vorsitz in einem Vegetarierverein“. Die Betroffenheit war verflogen, die Abgeordneten sorgten mit Zwischenrufen und Gelächter für ordentlich Stimmung.

Stefan Liebich (PDS) legte nach: Nicht jede Partei habe an ihrer Vergangenheitsbewältigung so hart gearbeitet wie seine: Die CDU hätte vom Geld der enteigneten DDR-Landwirte auch ganz gut gelebt. Flierl verteidigte sich zum x-ten Mal, beinahe schon routiniert. Der Regierende Bürgermeister Wowereit (SPD) genoss das Redeschauspiel sichtlich, schwieg aber. Dazu passte das Abstimmungsverhalten der SPD, die trotz Kritik an Flierl am Ende nicht dem Antrag auf eine Rüge zustimmte. Der angenommene Antrag von SPD und PDS verurteilt die Stasi-Verbrechen, erwähnt Flierl aber nicht. Nina Apin