Prügel im Abschiebeknast jetzt amtlich

Erstmals hat ein Berliner Richter bestätigt, dass Häftlinge im Abschiebegewahrsam Köpenick misshandelt werden. Ein Beamter schlug dem Ghanaer Peter G. mit der Faust ins Gesicht. Der Flüchtlingsrat begrüßt das Urteil: Misshandlungen seien Tatsache

von TORSTEN GELLNER

Im Abschiebegewahrsam Köpenick wird misshandelt. Dies stellte gestern zum ersten Mal ein Berliner Gericht fest. Dennoch endete der Prozess gegen den beschuldigten Polizeibeamten Christian S. mit einem Freispruch. Das Opfer, der aus Ghana stammende Abschiebehäftling Peter G., hatte im Gerichtssaal den Angeklagten entlastet und den Täter unter den geladenen Zeugen identifiziert.

Das, was Amtsrichter Brinsa in seiner Urteilsverkündung als „Ungeheuerlichkeit“ bezeichnete, spielte sich am Morgen des 12. November 2003 ab. Der an Diabetes leidende Häftling Peter G. sollte an diesem Tag in ein Krankenhaus gebracht werden. Als er sich im Waschraum des Gefängnisses die Zähne putzte, seien sechs bis acht Polizeibeamte hineingestürmt, erklärte das Opfer. Ein Polizist habe ihm die Zahnbürste aus dem Mund gerissen, ein anderer ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Schließlich hätten ihn mehrere Beamte zu Boden gedrückt und brutal gefesselt. Dann hätten ihn die Beamten über den Boden geschleift und zu einem Aufzug gezogen, um ihn in seine Zelle zu bringen.

Der 40-jährige Angeklagte Christian S. gab dagegen zu Protokoll, weder er noch seine Kollegen hätten das Opfer geschlagen. Vielmehr habe sich Peter G. die Verletzungen in seiner Zelle selbst zugefügt. „Durch den Türspion konnte ich sehen, wie der Häftling seinen Kopf selbst mehrmals seitlich an die Wand geknallt hat“, so der Angeklagte. Die Notlüge war überflüssig: Das Opfer identifizierte nicht Christian S. als Täter. Stattdessen erkannte er seinen Peiniger in einem Kollegen des Angeklagten, der als Zeuge geladen war.

Amtsrichter Brinsa sprach Christian S. nach dieser Wendung frei. Dass der Abschiebehäftling geschlagen worden war, stellte der Richter in seiner Urteilsbegründung allerdings nicht infrage. Ein Novum in der Berliner Rechtsprechung: „Mir sind keine Verurteilungen bei Misshandlungen im Abschiebegewahrsam bekannt“, sagte Gefängnisseelsorger Dieter Müller.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Berichte über Misshandlungen im Abschiebegefängnis Köpenick, die nicht bewiesen werden konnten. Traudel Vorbrodt vom Flüchtlingsrat zeigte sich erschrocken darüber, dass ein Misshandlungsfall aktenkundig ist: „Es ist bedauerlich, dass so etwas in Deutschland möglich ist.“ Jetzt sei bewiesen, dass die Aussagen der Häftlinge keine „Sensibilitäten“ seien, sondern Tatsachen.

Richter Brinsa empörte sich noch über eine zweite „Ungeheuerlichkeit“. Dass der Staatsanwalt gegen Christian S. ermittelt hat, geht nämlich auf eine Falschaussage eines Polizisten zurück. Der Zeuge Ferdinand R. hatte bei seiner Vernehmung durch das Landeskriminalamt seinen Kollegen Christian S. beschuldigt, das Opfer ohne Grund geschlagen zu haben. Gestern widerrief der Zeuge diese Aussage. Er räumte ein, die Version erfunden zu haben, um seinem Wachleiter „eins auszuwischen“. Der Wachleiter sei unter den Kollegen unbeliebt. Er sollte unter Druck gesetzt werden, weil er den Vorfall mit dem Ghanaer nicht gemeldet hatte. Der Staatsanwalt kündigte an, gegen diesen Zeugen sowie gegen den identifizierten Schläger Ermittlungen einzuleiten.