Schulen bekommen Zeugnisse

Ab sofort nehmen vierköpfige Inspektorenteams die öffentlichen Schulen genau unter die Lupe. Erster Kandidat ist die Maria-Montessori-Grundschule in Tempelhof

Die Schulen der Stadt bekommen ab sofort besonderen Besuch: Im Auftrag des Senats untersuchen Expertenteams Ausstattung, Zustand und den Unterricht. Premiere war gestern in der Maria-Montessori-Grundschule in Tempelhof. „Wir haben 530 Schüler in 20 Klassen. 25 Prozent von ihnen sind nichtdeutscher Herkunft“, sagte Schulleiterin Doris Lerner. Ihre Schule hat sich freiwillig zur Inspektion gemeldet. „Ich erhoffe mir konkrete Impulse darüber, wo wir Entwicklungsbedarf haben“, so Lerner.

Zu den vier Experten gehören in der Regel ein Schulleiter, ein Schulrat, ein Lehrer und ein Elternvertreter. Sie halten sich zwei Tage lang an der Schule auf. „Wir beobachten das Verhalten der Kinder in den Pausen, wir führen Interviews mit Schülern, Lehrern und Eltern, und wir setzen uns in den Unterricht“, erklärte Inspektorin Hannelore Kern, die Schulleiterin im Team.

Der erste Tag der Inspektion in der Maria-Montessori-Schule lief unter besonderen Bedingungen ab. Weil auch die Presse zugelassen war und rund 30 Journalisten gekommen waren, wird die erste Pausenbeobachtung nicht in die Inspektionsergebnisse eingehen: Zwei Kamerateams hielten die Schüler erfolgreich davon ab, sich normal zu verhalten.

In der darauf folgenden öffentlichen Unterrichtsstunde hatten sich die Sieben- bis Achtjährigen schon an den Rummel gewöhnt. Die 26 Kinder der Klasse 2a beschäftigten sich still mit verschiedenen Aufgaben. „Dieses Fach wird Freier Unterricht genannt“, erklärt der achtjährige Jona. „Wir können machen, was wir wollen. Das gefällt mir“, meint sein Nachbar Pascal grinsend. Klassenlehrerin Bärbel Hecklau muss sich zwischen Journalisten, Fotografen und Inspektoren zu den Kindern durchdrängeln. „Ich bin seit 1972 an dieser Schule – und eigentlich sehr gerne“, sagt sie. Die größten Probleme, die die Schule habe, seien nicht hausgemacht: „Zu wenig Lehrer, zu viele Schüler, zu wenig Geld, zu wenig Raum.“ Etwa die Hälfte der Bastelmaterialien, die die Kinder der 2a gerade verwendeten, stammten aus ihrem Privatbesitz, so Hecklau.

Hannelore Kern bewertet ihre ersten Eindrücke positiv: „Man merkt sofort, dass diese Klasse daran gewöhnt ist, selbstständig und konzentriert zu arbeiten.“ Kern gibt zu, dass die Maria-Montessori-Schule ein Musterbeispiel ist. „Nicht alle Schulen werden so kooperativ und so offen für Kritik sein.“

Zweimal im Jahr werden Schulen dazu aufgerufen, sich freiwillig zu melden. „Die Hälfte der jährlich etwa 160 zu inspizierenden Schulen hat sich nach dem ersten Aufruf freiwillig gemeldet, die andere Hälfte ist ausgelost worden“, sagt Kern. „Aber irgendwann kommt jede Schule dran.“ Die Entscheidung, ob die Ergebnisse der Inspektionen veröffentlicht werden, liegt bei den Schulen. SOPHIE DIESSELHORST