Anwälte: Knast-Chef muss weg

Wegen unhaltbarer Zustände im Bremer Gefängnis fordern Bremer Anwälte den Rücktritt von JVA-Chef Manfred Otto. Der setze nur auf Repression – und unterlaufe damit das Ziel der Resozialisierung

von Armin Simon

Schwere Vorwürfe gegen den Leiter der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen, Manfred Otto, hat die Arbeitsgemeinschaft Strafverteidigung im Bremischen Anwaltsverein erhoben. Im Bremer Gefängnis würden Gefangene nur noch verwahrt, es gebe zu wenig Hilfsangebote, Vollzugslockerungen und offener Vollzug würden viel zu restriktiv gehandhabt. „Herr Otto ist nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass dem Resozialisierungsgebot Rechnung getragen wird“, sagte der Leiter der Arbeitsgemeinschaft, Armin von Döllen, der taz. Justizsenator Jens Böhrnsen (SPD) stellte sich hinter Otto. Dieser setze „die vollzugspolitischen Vorgaben um“ und genieße volles Vertrauen.

Die Resozialisierung von Gefangenen, insistieren die Anwälte, sei der eigentliche Zweck des Justizvollzugs. Scheitere sie, würden die Inhaftierten das Gefängnis nicht in einem besseren, sondern in einem schlechteren Zustand verlassen, als sie es betreten hätten. „Das kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein“, so von Döllen. Räume Otto seinen Stuhl, heiße es auch unter Beschäftigten, „knallen hier die Sektkorken“.

Wegen der reduzierten Platzzahl und der verschärften Anforderungen müssten Gefangene inzwischen oft drei bis neun Monate länger warten, bis sie endlich in den offenen Vollzug kämen, sagte Rechtsanwalt Martin Stucke – mit der Folge, dass ihr Arbeitsplatz dann möglicherweise längst weg sei.

Als katastrophal bewerten die Strafverteidiger insbesondere die Zustände in der U-Haft, wo Abteilungsleiterin Andrea Jager mit drakonischen Maßnahmen regiere: Wer sie nicht grüße, werde in seiner Zelle eingeschlossen, wer Kritik äußere, riskiere, wegen „versuchter Gefangenenmeuterei“ in die Isozelle gesteckt zu werden. 14 von 21 MitarbeiterInnen der Abteilung haben in den letzten Monaten beantragt, in eine andere Abteilung versetzt zu werden. Otto sei auch hier seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen, klagen Beschäftigte.

Nach Informationen der taz wird Jager die JVA zum 1. April verlassen – auf eigenes Betreiben. Ob dies in Zusammenhang mit dem Selbstmord eines U-Häftlings Ende Februar steht, ist offen. Das Obduktionsergebnis, das eine Eingrenzung des Todeszeitpunkts erlaubt, liegt zwar vor. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind allerdings noch nicht abgeschlossen. Nach Informationen der Verteidigerin des Verstorbenen, Christine Vollmer, waren an dem Morgen, an dem ihr Mandant tot aufgefunden wurde, nur zwei statt fünf Beamte auf der Station – weswegen der „Lebendkontrolle“ genannte erste Rundgang des Personals erst zwei Stunden später als sonst stattfand. Nach Angaben eines Mithäftlings habe der Selbstmörder in seinen letzten Lebenstagen mehrfach unter Tränen geschildert, dass es ihm sehr schlecht gehe. Dies steht in Widerspruch zu den Angaben Ottos. Der hatte gegenüber dem Rechtsausschuss betont, den Verstorbenen kurz vor dessen Tod noch selbst aufgesucht und vergnügt vorgefunden zu haben.

Psychologische Betreuung hat der auch ausweislich früherer Haftakten suizidgefährdete Gefangene nicht bekommen. Stattdessen sei der Mithäftling, der die Beamten der Mitschuld bezichtigte, auf einer Liege fixiert und 36 Stunden in den „Bunker“ verbracht worden.