Papa, sei wieder der Boss!

Von „Feminisierung“ der Welt war die Rede und unaufhaltsamer Geschlechterdemokratie: Alles gestriger Blödsinn? Jetzt debattiert man in den USA gar über die Renaissance des Patriarchats

VON JAN FEDDERSEN

Das war der soziologische Mainstream des späten 20. Jahrhunderts: Er trug den für gewiss gehaltenen Befund in sich, vorgetragen von AutorInnen wie Elisabeth Beck-Gernsheim, Henning Bech, Richard Sennett oder Anthony Giddens, die Welt sei eine patriarchale gewesen – aber nun auf gutem Wege. Die Stichworte lauteten: Feminisierung aller Weltverhältnisse, Geschlechterdemokratie, Liberalität, Multioptionalität, Pluralität (der Lebensformen) und Abschied vom soldatischen Mann. Ein Matriarchat, die milde Dominanz des Gutweiblichen, mochte nicht am Horizont aufschimmern, doch alles schien auf gutem Weg.

Seit dem Geraune um die demografische Katastrophe, seit der für glaubwürdig gehaltenen These, die deutsche, ja, die westliche Welt stürbe, wenn nicht mehr Menschen Kinder produzieren, ist es um die eher gemütliche Stimmung geschehen. Wie ein Verhängnis dräut es, von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Bild und Spiegel bis zu allen Talkshows im hiesigen Fernsehen: Aus Passanten werden keine (heterosexuellen) Paare, sondern sie bleiben Singles, aversiv einander begegnend, unfähig zur nachhaltigen Bindung – und damit zum Nachwuchs.

Unerhörte Gegenstimmen

Botschaften der (fast inzwischen) dissidenten Art dringen kaum mehr durch, solche von Frauen, die sich nicht einmal als Feministinnen begreifen: dass eine Entscheidung für Kinder eine freiwillige sein und bleiben muss, andernfalls habe niemand Freude am Nachwuchs, weder die Eltern noch jener selbst. Kinder, die nicht von Herzen gewünscht sind, wurden in der Menschheitsgeschichte zu viele geboren: Und das mag als glückhafte Errungenschaft in all den demografischen (Schein-)Szenarien mitgelesen werden.

Kühle Beobachter gaben schließlich zu bedenken, dass ein Schirrmacher (samt Fellows) noch keinen Mütterlichkeitskreuzzug macht. Dass nur freiwillig gehe, was nicht erzwungen werden kann. Dass Verhütungsmittel nicht auf dem Index stehen und ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt bleibt. Und dass die bevölkerungspolitischen Fingerzeige durch Migration (welcher kulturellen Prägung sie auch sei) blamiert würden.

In der einflussreichen Zeitschrift Foreign Policy hat nun der amerikanische, liberale Bevölkerungswissenschaftler Phillip Longman ziemlich neue Töne angeschlagen. Unter dem Titel „The Return of Patriarchy“ – die Wiederkehr des Patriarchats – dekliniert er durch, worauf es jetzt ankommen könne.

Seine Beobachtungen – die er nicht als seine persönliche Meinung verstanden wissen will – laufen darauf hinaus, dass Staaten, in denen Liberalität in Bezug auf die in ihnen gelebten pluralen Lebensformen herrsche, an Bevölkerung verlieren werden. Der Befund deckt sich weitgehend mit dem von Frank Schirrmacher: Männer und Frauen haben hierzulande, wenn überhaupt, nur noch ein Kind. Mehr Nachwuchs zu zeugen sei nicht attraktiv, denn das koste Geld und Zeit. Schlussfolgernd legt Longman nahe, dass eine Art Untergang der westlichen Welt drohe, denn Imperien wie das britische Kolonialreich begannen zu erodieren, als immer weniger Kinder zur Welt gebracht wurden. Weiter heißt es: In Ländern wie den USA würden die liberal gehegten Lebensentwürfe vor allem in den biblisch wattierten Gebieten konterkariert. Im liberalen New York gilt das Prinzip vom anything goes, im Mittleren Westen das Prinzip „Seid fruchtbar und mehret euch“.

Longman prophezeit, was kein Politiker, der eine Rolle spielen möchte, laut sagen würde: Eine Rückbesinnung auf das patriarchale Credo „Papa ist der Boss“ werde nötig. Er bestimmt, wann ein Kind kommt – die Frau habe letztlich weniger zu melden. Eine solche Renaissance des abrahamitischen Prinzips sei nicht mit Zwang zu ermöglichen, sondern per Umwertung der Werte: dass Frauen moralisch abseitig stehen, nutzten sie ihre Gebärfähigkeit nicht; dass das Wort von der „eisernen Jungfrau“ wieder recht gehässigen Klang bekomme.

Umwertung der Werte

Gesellschaften, die sich säkular verstünden, seien am ehesten religiösen Fundamentalismen ausgeliefert: Diese tragen ein seelisches Signum der Familiarität, aggressiv gegen alles, was auf Freiwilligkeit in der Sache des eigenen, männlichen wie weiblichen Lebensromans setzt.

Was Longman nicht fragt: Wenn alle Propaganda – kinderlos bleiben ist zukunftsfeindlich! – nicht fruchtet, was dann? Verbot der Abtreibung? Kondome nur noch auf Rezept?

Das Thema beginnt – drüben wie hüben –, lebensfeindlich zu werden. Spaß, Lust? Verdächtig.