Grüne wählen sich nach links

Bei der Aufstellung ihrer Landesliste für die Abgeordnetenhauswahl setzen die Berliner Grünen vor allem auf junge und linke Kandidaten. Realos werden abgestraft. Landeschef Heyer-Stuffer fällt durch

VON FELIX LEE

80,4 Prozent der Stimmen. Das Ergebnis für die Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig kann sich sehen lassen. Doch die Kür der weiteren grünen Kandidaten für die kommende Legislaturperiode wird die als „Oberreala“ bekannte ehemalige Bundestagsabgeordnete kaum zufrieden stellen. Denn bei der Landesmitgliederversammlung setzten sich am Samstag vor allem junge und linke KandidatInnen durch.

602 der insgesamt rund 3.700 Berliner Grünen wählten ihre Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahl im September. Neben den bisherigen Fraktionslinken Volker Ratzmann, Sybill Klotz und Lisa Paus konnten sich als Neuzugänge die 35-jährige TV-Moderatorin Bilkay Öney und die Hochschul- und Wissenschaftspolitikerin Anja Schillhaneck (33) durchsetzen.

Weit vorne landete als Neuling auch Michael Schäfer. Der war zwar mal Büroleiter des Bundeschefs Reinhard Bütikofer, als ehemaliger Bundessprecher der BUNDjugend gilt der 33-Jährige aber zumindest in seinen Themenfeldern Energiepolitik und Klima als jemand, der „urgrüne“ Forderungen vertritt. Auf als sicher geltenden Plätzen landeten zudem Benedikt Lux (24) von der Grünen Jugend und Anja Kofbinger, Geschäftsführerin des mitgliederstärksten Bezirksverbands Friedrichshain-Kreuzberg. Beide sind ebenfalls bekennende Linke.

Der Realoflügel zeigte sich hingegen enttäuscht: Felicitas Kubala, zurzeit umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, scheiterte im Abstimmungsduell an der Kulturpoltikerin Alice Ströver. Auch der Haushaltsexperte Oliver Schruoffenegger, der zunächst für Platz 2 der Liste kandidiert hatte, rasselte gleich mehrfach durch. „Mit einem so verheerenden Ergebnis haben wir nicht gerechnet“, kommentierte ein Grünenmitglied aus Schruoffeneggers Kreisverband Reinickendorf. Nur Jochen Esser und Thomas Birk schafften es auf zwei sichere Plätze.

Die herbste Niederlage erlitt jedoch Till Heyer-Stuffer. Der Landesvorsitzende der Grünen wollte nach fünf Jahren im Parteiamt künftig lieber Politik im Abgeordnetenhaus machen. Doch zunächst scheiterte er an dem Bildungspolitiker Özcan Mutlu. Auch bei weiteren Anläufen für die Listenplätzen 6 und 12 hatte Heyer-Stuffer keine Chance. „Nun haben wir ein Problem“, sagte Fraktionschefin Sibyll Klotz. Über den Rücktritt des angeschlagenen Parteichefs wird bereits spekuliert.

Auf eine nächste Legislaturperiode können sich die bisherigen Abgeordneten Ramona Pop, Claudia Hämmerling und Elfi Jantzen freuen. Die Arbeit der drei anerkannten Fachpolitikerinnen belohnte die Parteibasis mit Plätzen, die zumindest laut den aktuellen Umfragen sicher sind. Die Grünen rechnen bei den Wahlen mit bis zu zwanzig Sitzen.