neuköln, bowie etc.
: Der Anfang vom Ende

Ich kenne Neukölln seit 29 Jahren. 1977 war „Neuköln“ ein pathetisch-minimalistisches, viereinhalb Minuten langes Stück auf der zweiten Seite des David-Bowie-Albums „Heroes“. David Bowie hatte bekanntermaßen in jener Zeit zusammen mit Iggy Pop in Schöneberg, Hauptstraße 152, gehaust und in Zusammenarbeit mit Brian Eno seine Berlin-Trilogie („Low“, „Heroes“, „Lodger“) herausgebracht, die im Zusammenspiel mit dem Soundtrack zu den „Kindern vom Bahnhof Zoo“ und dem zur selben Zeit mit Iggy Pop aufgenommenen „Lust for Life“, sehr viele junge Leute, vor allem auch Mädchen, nach Berlin lockten, wo sie dann drogensüchtig wurden, existenzialistisch gesonnen in Peepshows arbeiteten oder sich jedenfalls bemühten, mit Stil zu verzweifeln.

„Heroes“ bildete den Mittelteil von Bowies Berlin-Trilogie, ist sozusagen sein berlinischstes Album und die erste internationale, popmusikalische Verortung der Stadt. Das Titelstück, das später auch auf Deutsch rauskam, war eine Verbeugung vor dem Stück „Hero“ der Krautrockband Neu und handelte – wie schon Udo Lindenbergs „Mädchen aus Ost-Berlin“ – von Liebenden, die nicht zueinander können wegen der Mauer. Das Stück bemüht ein quasi Ernst Jünger’sches Pathos: „Schüsse reißen die Luft / Doch wir küssen / Als ob nichts geschieht / Und die Scham fiel auf ihre Seite / Oh, wir können sie schlagen / Für alle Zeiten / Dann sind wir Helden / Nur diesen Tag.“

Große Gefühl führen oft zur Ungenauigkeit im Detail. Der instrumentalpathetisch gehaltene 4-Track-Block auf der zweiten Seite endet mit „Neuköln“ – falsch geschrieben. Bowie ist schuld, dass ich Neukölln immer noch falsch schreibe und falsche Assoziationen habe. (In seinem Neunzigerjahre-Album „Outside“ wird dann von „Kreutzburg“ statt „Kreuzberg“ die Rede sein.) „Neuköln“ ist jedenfalls der Anfang vom Ende. Anfangs blubbert es geheimnisvoll, dann kommt eine kleine, düster-getragene Synthesizermelodie, die Bowie mit seinem einsamen Saxofon, von dem er nie hatte lassen können, begleitet.

Es ist schon sehr pathetisch, irgendwie auch falsch und wenn’s dann zu Ende ist, ist man froh, dass mit „The secret Life of Arabia“ ein klarer, nach vorn orientierter Song einsetzt. In vielem waren wir damals, als wir das dauernd hörten, in unseren Ansichten und Gefühlen so konfus, gesellschaftsfeindlich und durchgeknallt, wie es den Neuköllner Emigrantenjugendlichen heute unterstellt wird. Die Drogen waren auch die gleichen: Tee und Hasch. DETLEF KUHLBRODT