doherty, wien etc.
: Und jetzt alle: Fuck Forever!

Und da sag mal noch einer, in Österreich sei nichts los.

Gerade eben, da war was los, du lieber Schwan. Es begann schon am Donnerstagabend, da saß Pete Doherty – Babyshamble!, der wüsteste Drogenrocker seit Kurt Cobain! – plötzlich in einem Wirtshaus im 9. Bezirk. Das muss man sich vorstellen: der Lover von Kate Moss – im Wirtshaus! Glücklicherweise war eine Radiofrau zur Stelle, die ihm ein Mikro unter die Nase hielt. Mehrmals lobte er das gute „Gjulasch“ und kündigte – in radebrechendem Deutsch – seinen Auftritt „in Grazer Porno-Kino morgen“ an.

Freitag und Samstag holte Doherty dann tatsächlich mit Kompagnon General Santana den Gig im steirischen Non-Stop-Eros-Kino nach, den er im Januar floppen ließ (unfreiwillig – er saß damals im Knast, Drogengeschichten). Den Höhepunkt seines Österreich-Aufenthaltes lieferte der genialische Singer-Songwriter dann aber einen Tag später noch im Flex, dem Wiener Indie-Schuppen am Donaukanal, der ihn zum Surprise-Gig engagierte. Buchstäblich zwischen „Death and Glory“ irrlichternd, wankte Doherty durch sein Programm. Selbst die rechtskonservative Presse konnte danach nicht an sich halten: „Intensität, Intimität, Leichtigkeit des Moments, das Gefühl, dass hier und jetzt eigentlich alles geschehen kann“, jubelte das Blatt.

Ein Ausnahmemoment, gewiss, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil zu fortgeschrittener Stunde plötzlich Adam Green auf die Bühne zu Doherty sprang. Der Softie mit der Strubbelfrisur, Typus junges Genie, und der jüngste Wiedergänger des Grenz- und Konventionsüberschreitens Seite an Seite! Der Sanfte und das Biest! Im schläfrigen Wien! Und alle singen mit: Fuck Forever! Man ist gefangen von einem magischen Augenblick, da helfen alle Postmoderne-Impfungen nichts. Natürlich weiß man längst – und alle wissen, dass es alle wissen –, dass der Typus des verhuschten Poeten und der Typus des Rebellen, der sich selbst gegenüber schonungslos ist (einen guten Schuss Todestrieb inklusive), kulturellen Skripts folgen. Auch ihr Individualismus ist ein Individualismus von der Stange. Aber dieses Wissen führt natürlich nicht dazu, dass man sich der Faszination der Popmagie entziehen könnte.

Und so ist’s denn auch: Die Stadt steht Kopf, die Klatschspalten sind voll, im Radio läuft das Doherty-Interview in einer Endlosschleife wie zuletzt nur der Einsturz der Twin Towers auf CNN, und böse Zungen fragen, welche illegalen Substanzen der Wirt denn in das Gulasch zu mischen pflegt, das Doherty dermaßen gut geschmeckt hat.

ROBERT MISIK