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Held der Gegenöffentlichkeit: Mit seinen schnellen, billigen Filmen bekämpft Robert Greenwald die amerikanische Rechte

An Bill O’Reilly scheiden sich die Geister. Für die amerikanische Linke ist er eine Hassfigur, die Rechte liebt ihn, erfreut sich jeden Abend daran, wie er auf Fox News die Gegner zur Linken fertig macht, und machte seine Sachbücher zu Bestsellern. Mel Gibson hat die Rechte am einzigen Roman O’Reillys erworben, einer so autobiografischen wie blutigen Rachefantasie eines Journalisten. Der Mann, der wohl der einflussreichste amerikanische Politjournalist der Gegenwart ist, verachtet alles, was liberal oder intellektuell ist. In seiner wochentäglich zur besten Sendezeit ausgestrahlten Nachrichten-Show „The O’Reilly Factor“ zeigt er sich als begnadeter Populist und weiß den gesunden Menschenverstand des amerikanischen Herzlands auf seiner Seite.

Ohne Fox News, den von Rupert Murdoch 1996 gegründeten Nachrichtensender, wäre O’Reilly niemals der geworden, der er heute ist. Bei CBS hatte er als Journalist in den Achtzigerjahren keine Chance. Seine Stunde schlug mit dem Siegeszug der Kabel-Sender CNN und Fox News, die dem altbackenen Image der Nachrichtenprogramme der großen Sender, ähnlich wie in Deutschland, nur viel erfolgreicher, den Boulevard entgegensetzten. Der Slogan des Murdoch-Senders Fox News „Fair and Balanced“ versteht sich dabei nur als schlechter Witz. Das Bush-Regime und der Irakkrieg haben hier ihre Unterstützer. Sie schaffen so eine Öffentlichkeit, die die journalistische liberale Elite nur mit einer Spur Überheblichkeit anfasst. Die Edelfedern der New York Times oder des New Yorker – in dem neulich ein brillantes O’Reilly-Porträt zu lesen war – suchen aus nachvollziehbaren Gründen nicht die Augenhöhe mit dem Gegner.

Das ist jedoch genau das, was Robert Greenwald tut. Greenwald ist ein Regisseur mit viel Erfahrung im Fernseh- und Werbebereich. Zum Helden einer sich in den letzten Jahren herausbildenden Gegenöffentlichkeit wurde er jedoch vor zwei Jahren mit seinem Film „Outfoxed“, der sich justament mit den Praktiken bei Fox News und denen O’Reillys auseinander setzte. Er ist ein weiteres Beispiel des nach den Erfolgen Michael Moores blühenden Agit-Dok-Genres, nur ohne Moores Lust an der Inszenierung seiner selbst und seiner Triumphe. In rascher Folge entstehen seither unter dem Banner „Brave New Films“ weitere Dokumentationen – der jüngste durchleuchtet den Supermarkt-Riesen Wal-Mart –, die einander in ihrer aktivistischen Ästhetik gleichen.

Greenwald setzt auf die Überzeugungskraft von „talking heads“ und holt die Kritiker unter den Experten vor die Kamera und schneidet ihre Aussagen suggestiv zum wenig schmeichelhaften Gegenporträt. Ihre Durchschlagskraft erreichen Greenwalds Filme aber vor allem durch die gekonnte Vernetzung seiner Projekte.

Dazu gehört in erster Linie sein Bündnis mit der Internet-basierten Graswurzel-Bewegung MoveOn.org, die seit ihrer Gründung 1998 mehr als drei Millionen Mitglieder gewonnen hat. Greenwalds Gegenpropaganda ist billig und schnell gemacht, doch erst mit der von MoveOn erzeugten Aufmerksamkeit schaffte es „Outfoxed“ auf Platz eins der Amazon-Charts.

Ein weiterer Grund des Erfolgs ist die mediale Fluidität. Die Filme sind zu gleicher Zeit im Kino und auf DVD zu haben, Letzteres sehr günstig und – natürlich– ohne den von der Industrie erzwungenen Regionalcode. Letzte Woche dann gelangte Robert Greenwald endlich ins Zentrum der allgemeinen Fernsehöffentlichkeit. Der Kabelsender Comedy Central beherbergt mit der Sendung „Colbert Report“ eine Parodie des O’Reilly-Factor, deren Brillanz sich der Schlagfertigkeit von Stephen Colbert verdankt, der in der Sendung einen reaktionären Journalisten darstellt, ohne es zu sein. Anlässlich des Erscheinens eines nicht von ihm gedrehten Brave New Film zu einem Skandal um einen texanischen Kongressabgeordneten war Greenwald zu Gast. Mehr als tausend Leser seines Blogs (www.robertgreenwald.org) haben Ratschläge erteilt. Auch der Auftritt selbst ist auf dem ins Netz gestellten Ausschnitt aus der Sendung (http://gobnf.org/v/rg/robert_colbert.mov) zu bewundern. Die amerikanische Linke ist dabei, sich als Gegenöffentlichkeit neu zu formieren.

EKKEHARD KNÖRER

Gerade erschienen ist in den USA das Robert-Greenwald-DVD-Box-Set – für 27 $ plus Versand bei amazon.com zu beziehen. Outfoxed ist als Import für 25 Euro bei amazon.de erhältlich.