„Das Risiko der Kongo-Operation ist gering“

Aldo Ajello, der EU-Sonderbeauftragte für das Afrika der Großen Seen, erklärt die Funktion der geplanten EU-Truppe bei Kongos Wahlen. Er relativiert die Rolle der Deutschen und fordert mehr internationale Wahlbeobachter

taz: Herr Ajello, in Deutschland gibt es große Ängste, was die geplante Militärintervention im Kongo angeht. Wie räumen Sie die aus?

Aldo Ajello: Die Situation im Kongo rechtfertigt keine Ängste. Das Risiko dieser Operation ist sehr gering. Die politische Lage ist ruhig, weil die drei großen einstigen Kriegsparteien – die Anhänger von Präsident Joseph Kabila und die Rebellenbewegungen MLC und RCD – an den Wahlen teilnehmen. Die einzige Partei, die nicht an den Wahlen teilnimmt, ist die UDPS von Etienne Tshisekedi. Das ist schade, aber ihre Mobilisierungskapazität ist viel geringer als früher.

Macht es die Wahlen nicht unglaubwürdig, wenn die größte Oppositionspartei nicht teilnimmt?

Nein. Der Wahlprozess ist glaubwürdig, wenn genug Wähler registriert sind. Das ist der Fall. Dass eine Partei sich entscheidet, nicht an den Wahlen teilzunehmen, macht die Wahl nicht unglaubwürdig. Niemand hat die UDPS ausgeschlossen.

Werden Sie versuchen, die UDPS noch ins Boot zu holen?

Wir haben alles getan, was möglich war.

Also ist jetzt Schluss?

Jetzt ist Schluss. Sonst würden die Wahlen erst nächstes Jahr stattfinden können.

Im Osten des Kongo herrscht Krieg. Ist das ein Problem?

Das hat schon das Verfassungsreferendum vom Dezember 2005 nicht beeinträchtigt. Dabei wäre das die beste Gelegenheit gewesen, den Wahlprozess insgesamt scheitern zu lassen. Die Verfassung war die Vorbedingung für die Wahlen. Wenn Kriegsparteien im Osten den Wahlprozess sabotieren wollten, hätten sie das damals getan.

Wenn es im Kongo keine Probleme gibt, wieso will dann die EU eine Truppe schicken?

Ich habe nicht gesagt, dass es keine Probleme gibt. In jeder Partei gibt es Leute, die den Friedensprozess boykottieren. Sie haben Angst, dass mit dem Wahltag ihre ganze Macht verschwindet. Sie obstruieren und können das weiterhin tun. Die Anwesenheit einer europäischen Truppe, selbst einer kleinen, ist ein Abschreckungselement gegenüber möglichen Unruhestiftern.

Ist das nicht kolonialistisch: man stellt ein paar weiße Soldaten hin und dann sind die Kongolesen ganz brav?

Es geht nicht darum, ob die Soldaten weiß sind. Es geht darum, eine effiziente und gut ausgebildete Truppe zu haben. Als die EU 2003 in Ituri eingriff, war das Kolonialismus? Wir haben Massaker gestoppt!

Soll also auch die neue EU-Truppe in schwierigen Situationen kämpfen?

Nein. Erst mal ist die Truppe gar nicht im Kongo. Es wird eine Vorhut von 450 Mann in Kinshasa geben, die im Notfall die Landung der anderen ermöglicht. Die Truppe hat drei Funktionen. Erstens: UN-Soldaten in gefährlichen Situationen außer Gefahr zu bringen und zu evakuieren. Zweitens: als mobile Truppe mit chirurgischen Operationen Spannungen in möglichen Unruheherden zu lösen. Und drittens: den Flughafen von Kinshasa so weit kontrollieren, dass Reservetruppen einfliegen können. Die Kontrolle von Menschenmengen in Kinshasa gehört nicht zu den Aufgaben. Das macht die kongolesische Polizei.

Also kann die Truppe überall im Kongo eingreifen?

Nein. Im Ostkongo steht die UNO. Sie hat uns gebeten, andere Regionen abzusichern. Das könnten Katanga, Kasai und Kinshasa sein. Es wird in der Truppe eine Arbeitsteilung geben: Deutsche, Franzosen, weitere EU-Staaten. Wir wissen, dass die Deutschen sich ausschließlich um Kinshasa kümmern werden. Um andere Interventionen kümmern sich andere Länder.

Manche Kongolesen meinen, der Wahlprozess sei schon von vornherein zugunsten des Präsidenten Kabila manipuliert, und der lässt sich jetzt von den Europäern helfen …

Er hat uns nicht um Truppen gebeten! Das war die UNO in New York. Und natürlich ist die Aufgabe der Truppe, zu garantieren, dass der Wahlsieger an die Macht kommt. Darum geht es schließlich bei Wahlen.

Die Truppe soll eine Woche vor den Wahlen landen. Ist das nicht zu spät? In Katanga bilden sich jetzt schon Milizen und Spannungen wachsen.

Wir müssen sehen, wie wir die Einsatzzeit von vier Monaten genau organisieren. Der kritische Punkt wird direkt nach den Wahlen sein sowie in der Schlussphase des Wahlkampfs. Die Truppe muss dafür rechtzeitig da sein.

Aber wenn wirklich jemand die Wahlen sabotieren will, kann die EU-Truppe das nicht verhindern.

Das hängt davon ab, wer es ist. Wenn es Kabila ist oder die Rebellenchefs Bemba oder Ruberwa, ist es ein politisches Problem, das man mit Soldaten nicht lösen kann. Dann würde die gesamte internationale Gemeinschaft eingreifen.

Warum schickt die EU nicht mehr zivile Wahlbeobachter?

Wir haben noch nicht entschieden, wie viele wir schicken. Aber ich finde auch, dass wir so viele brauchen wie möglich, denn es geht darum, dass die Wahlen korrekt ablaufen, und die einzige Garantie dafür ist ein höchstmögliches Niveau an Wahlbeobachtung. Es gibt da wohl Geldprobleme, die ziemlich lächerlich sind angesichts der Summen, die wir schon in die Wahlen investiert haben.

INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON