Armee im Kongo schießt auf Demonstranten

Der Wahlkampf in den einstigen Kriegsgebieten des Kongo beginnt im Zeichen von Gewalt. In Bukavu im Osten des Landes regt sich Protest gegen Plünderungen und Übergriffe von Soldaten – und diese reagieren mit Todesschüssen

BERLIN taz ■ In Bukavu, der größten Stadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, haben Sicherheitskräfte bei der Niederschlagung von Demonstrationen bis zu elf Menschen getötet. Diese Bilanz bestätigten lokale Quellen gestern der taz nach einer Woche schwerer Unruhen. Gestern patrouillierte Elitepolizei in den Straßen der 500.000 Einwohner zählenden Provinzhauptstadt, die am Vortag durch einen Generalstreik aus Protest gegen die anhaltende staatliche Gewalt lahm gelegt war.

Seit Monaten beklagen Menschenrechtler überall im Kongo, dass die neue nationale Armee FARDC, in der Einheiten der früheren Bürgerkriegsparteien des Landes unter neuer Führung zusammengelegt werden, zunehmende Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung begeht. In Bukavu kommt es seit Wochen regelmäßig zu nächtlichen Überfällen und Plünderungen von Soldaten, die bei Widerstand schießen.

Nach einem besonders brutalen Angriff im Stadtviertel Kadutu in der Nacht zum Freitag, als aufgebrachte Anwohner kurzzeitig eine Gruppe von Militärpolizisten als Geiseln nahmen, formierte sich am vergangenen Freitag eine Demonstration vor dem Armeehauptquartier von Bukavu. Soldaten eröffneten das Feuer auf die Menge von 1.500 Personen und töteten ein 17-jähriges Mädchen. Daraufhin weiteten sich die Proteste zwei Tage lang aus, worauf der Generalstreikaufruf folgte. Dieser sorgte für leere Straßen, aber die Spannungen bleiben hoch. Zivilgesellschaftliche Organisationen verurteilen in Erklärungen den „Terror“ der Armee.

Bukavu war Ende letzten Jahres von Präsident Joseph Kabila zum militärischen Hauptquartier seines bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampfes erklärt worden. Daraufhin nahm die Konzentration von Militärs in der Stadt stark zu. Offenbar hält Kabila Bukavu für seine Bastion, denn dort war der Widerstand gegen die von Ruanda unterstützten Rebellen der RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), die Ostkongo während des Krieges 1998–2003 regierten und gegen Kabila kämpften, besonders stark. Doch nun regt sich dort immer mehr Unmut – auch weil der seit 2003 andauernde Friedensprozess im Kongo die Sicherheitslage nicht verbessert hat. Zuletzt scheiterte eine Großoffensive von Armee und UNO gegen ruandische Hutu-Milizen westlich von Bukavu: Die Milizen zogen sich zunächst zurück, nahmen aber vor wenigen Wochen ihre alten Positionen wieder ein, nachdem die Armee abgezogen war.

Die Gewalt in Bukavu ist ein schlechtes Omen für Kongos beginnenden Wahlkampf, in dem die EU die Entsendung von Truppen plant, um den Wahlprozess abzusichern, allerdings nicht im Osten des Landes. Aus mehreren Städten des Kongo häufen sich Meldungen von Übergriffen auf Kandidaten. Dies diskreditiert den Wahlprozess, bevor er überhaupt begonnen hat. „Man kann nicht wählen gehen, wenn jeden Tag Menschen sterben“, zitiert eine Nachrichtenagentur einen demonstrierenden Studenten in Bukavu. DOMINIC JOHNSON