literatur, linkssein, etc.
: Lost in der Metadebatte

Ich hatte den Kollegen vor Kaiser's an der Markthalle bei den Einkaufswagen getroffen. Hinter uns sprach die nette Straßenzeitungsverkäuferin mit ihren Freunden. Ich war schlecht gelaunt und redelustig, weil ich gerade einen satirischen Text über diese komische Sekundärliteraturdebatte gelesen hatte, in der es um das Buch eines Exkollegen über die bundesdeutsche Literatur zwischen 45 und 89 gegangen war. Irgendwelche Literaturredakteure waren also gegen dieses Buch, andere wiederum dafür, und der linke, aufrechte Satiriker hatte klargestellt, dass das alles Idioten wären und die Leute, die für die FAS arbeiteten, nun bekanntermaßen besonders bescheuert. Über seinem Text hatte derweil eine Anzeige für sein Buch gestanden, mit lobenden Zitaten aus Morgenpost und FAZ.

War das ein Widerspruch oder eine besonders feinsinnige Grenzziehung (FAS = böse, FAZ, MoPo = gut)? Keine Ahnung. Grenzziehungen sind ohnehin willkürlich und für Außenstehende schwer zu verstehen. Wir dachten zum Beispiel an einen geschätzten Kollegen, der für die Welt am Sonntag schreibt und gleichzeitig erklärt, nie im Leben für die FAZ schreiben zu wollen. Oder an einen Freund, der in der BZ eine Kolumne hat und ausgleichsweise seitenlange Artikel in der Jungle World veröffentlicht.

Darüber unterhielten wir uns und über diese selbstreferenzielle „So tun als ob“-Debatte und fanden, dass das alles peinliche Anführer- und Klassensprechertypen sind, die da so wichtigtuerisch stritten. Und letztlich nahmen wir ja auch – lost in der Metadebatte – bei Kaiser’s neben den Einkaufswagen an deren quatschiger Debatte teil. Zumindest redend, was ja mehr Spaß macht, als im Schreiben, weil man beim Schreiben ja allein ist mit dem Quatsch, den man in seinem Kopf hat und auf den niemand antwortet.

Wir hatten wohl laut geredet, denn plötzlich mischte sich ein Bärtiger ein, der hinter uns gestanden hatte. Früher war er wohl mal Revolutionär gewesen und legte gleich los wie damals in den Ardennen, also vor 38 Jahren vor der Springer-Zentrale. Unvermittelt wetterte er gegen „diesen Philosophen“ – „Wie heißt der denn noch? Sie wissen schon“ –, „der aus Amerika“ gekommen sei und der wichtigste 68er-Philosoph gewesen wäre, und dass „dieser Typ“ also die 68er und Rudi Dutschke verraten hätte, und kam dann plötzlich auch auf Sloterdijk:

„Hör mir auf mit Sloterdijk!“

„Der ist doch sowieso das größte Arschloch!!“

Es war ihm sehr wichtig, dies noch einmal in aller Entschiedenheit klargestellt zu haben. Und man dachte nur: Hey, wen interessiert das, und ging in den schönen Kaiser’s und kaufte was fürs Wochenende. „Wollen Sie auch Treueherzen haben?“ – „Klar!“ DETLEF KUHLBRODT