Bürger sparen selbst

Der Senat lässt die Hamburger im Internet diskutieren, wofür er Geld ausgeben soll und wofür nicht. Die Ergebnisse sind unverbindlich. Vorbild ist die Netzdebatte über die Wachsende Stadt

von GERNOT KNÖDLER

Der Senat will sich von den Hamburgern beim Sparen helfen lassen. Gestern hat er eine Internet-Plattform geöffnet, auf der bis zum 12. Mai diskutiert werden soll, wofür der Stadtstaat in den kommenden Jahren das Geld seiner Bürger ausgeben soll und wofür eher nicht. Die mehrstufige Diskussion wird von einem Team der TU Harburg moderiert. Senat und Bürgerschaft sollen die Ergebnisse bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Anders als bei einem echten „Bürgerhaushalt“ ist das Resultat nicht verbindich.

Die Bürgerbeteiligung unter der Frage „Was wollen wir uns leisten?“ ist auf Antrag der CDU-Fraktion von der Bürgerschaft beschlossen worden und knüpft an eine ähnliche Internetdiskussion zum Thema „Wachsende Stadt“ an. Wer sich unter www.hamburg-haushalt.de registriert, kann Vorschläge machen und mit Hilfe eines Haushaltsrechners kalkulieren, wie diese sich finanzpolitisch auswirken. Das Volumen des Haushalts ist dabei begrenzt. Wer an einer Stelle mehr ausgibt, muss anderswo sparen. Die Vorschläge sollen begründet werden, so dass andere darüber diskutieren können. In einer ersten Runde sollen Schwerpunkte ermittelt werden, die in einer zweiten Runde ausgearbeitet und in einer dritten Runde dann diskutiert werden.

Anlass für das Projekt sind die hohen Schulden der Stadt und der geringe Spielraum, der der Politik zur Verfügung steht, diese Schulden abzutragen. Nur zehn Prozent des Betriebshaushaltes – der Summe, mit der die Stadt ihre laufenden Ausgaben bestreitet – können kurzfristig verändert werden, rechnet der CDU-Abgeordnete Rüdiger Kruse vor, der Initiator des Bürger-Dialogs. 13 Prozent des Haushalts müssen für Zinsen aufgewendet werden, 24 Prozent für gesetzliche Leistungen, 15 Prozent für Museen, Unis, die Bauunterhaltung und 39 Prozent für Personal.

Bis 2016 werden 28.000 von gut 70.000 städtischen Beschäftigten in Rente gehen. „Wenn zukünftige Leistungsziele der Verwaltung und der dafür erforderliche Personalbestand heute festgelegt werden, kann der Stellenum- und -abbau zielgenau und effizient erfolgen“, hofft Kruse. Das Ergebnis der Debatte soll bereits in die Beratung des Haushalts 2007/2008 einbezogen werden. Der Abgeordnete hofft darauf, dass sich mit dem Verfahren politische Konflikte entschärfen lassen. Kruse: „In einer Familie bespricht man ja die Dinge auch gemeinsam.“

Gregor Hackmack, der für den Verein Mehr Demokratie die Internetplattform abgeordnetenwatch.de betreut, findet die Initiative der CDU zwar begrüßenswert. Mehr Demokratie hat sich ihr aber nicht angeschlossen, weil unklar ist, inwieweit die Ergebnisse berücksichtigt werden. „Uns ist wichtig“, so Hackmack, „dass Bürgerbeteiligung zu einer abschließenden Entscheidung durch die Bürger führt.“ Die Hamburger CDU sei nicht gerade dafür bekannt, dass sie die Bürgerbeteiligung ernst nehme, sagt er mit Blick auf die Bürger- und Volksbegehren, die von der Union ignoriert worden sind. Abgeordnetenwatch ist ein Forum, auf dem Bürger mit Politikern diskutieren und dadurch ihre Wahlentscheidung vorbereiten können.

An der ebenfalls von der EU als sogenanntes Demos-Projekt geförderten Netz-Debatte zur Wachsenden Stadt beteiligten sich im November 2002 binnen vier Wochen 530 Menschen mit 4.000 Beiträgen. Aus dieser Debatte schälten sich am Ende 57 Ideen heraus. Fünf davon wurden von einer Jury ausgewählt, die daran Beteiligten vom Bürgermeister geehrt.