Von der Leyen: Ärger mit den Werten

Zusammen mit den beiden christlichen Kirchen hat die Familienministerin ein „Bündnis für Erziehung“ aus der Taufe gehoben. Andere Glaubensgemeinschaften stößt sie damit ebenso vor den Kopf wie Gewerkschafter, Wissenschaftler und Politiker

AUS BERLIN HEIDE OESTREICH

Wer glaubte, CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen vertrete eine Art sozialdemokratische Familienpolitik, ist nun eines Besseren belehrt. Zusammen mit den beiden christlichen Kirchen in Deutschland schmiedete von der Leyen gestern ein „Bündnis für Erziehung“, das sie anschließend mit dem katholischen Berliner Kardinal Sterzinsky und der evangelischen Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann, der Öffentlichkeit präsentierte.

Zusammen vertraten die drei ChristInnen die Auffassung, dass man sich stärker für eine „wertegebundene“ Erziehung einsetzen müsse. Werte wie Verlässlichkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft basierten auf christlichen Prinzipien, wie auch das Grundgesetz im Prinzip „die zehn Gebote zusammenfasst“, erklärte von der Leyen. Das Bündnis sei durchaus offen für andere Glaubensgemeinschaften und andere gesellschaftliche Gruppen, antwortete die Familienministerin auf die vehemente Kritik, die schon im Vorfeld von der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Wissenschaftlern und Politikern an der christlichen Exklusivität des Bündnisses geübt wurde. Aus pragmatischen Gründen habe man mit den Kirchen begonnen, die die größten freien Träger von Kindergärten seien. 44 Prozent aller Kitaplätze würden von den kirchlichen Organisationen angeboten.

Die AWO, die knapp 3.000 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe führt, hält das für einen „klassischen Fehlstart“. „Man muss es düpierend nennen, wenn bei einem Bündnisgipfel zum Thema Erziehung engagierte gesellschaftliche Partner, Lehrer, Familienverbände, Erzieherinnen und Pädagogen, VertreterInnen der Wissenschaft außen vor bleiben“, erklärte der Bundesvorsitzende der AWO, Wilhelm Schmidt. Auch der Zentralrat der Juden und der Zentralrat der Muslime äußerten ihr Unverständnis.

Dass die Gründe für das Christenbündnis nicht nur pragmatisch waren, wurde bei den inhaltlichen Ausführungen deutlich. Ursula von der Leyen vertrat die Auffassung, dass Kinder zunächst „die eigene Religion“ kennen lernen sollten, „um sich später auch anderen Religionen öffnen zu können“. Das ist die Position der christlichen Kirchen, staatliche Einrichtungen allerdings sollten bisher laut Grundgesetz religionsneutral agieren.

Auf die Frage angesprochen, warum die Werteerziehung nicht weiterhin universalistische Werte vermitteln solle und ob nun die grundgesetzlich verbriefte Freiheit von jeder Religion außer Kraft gesetzt werden solle, übten sich die Befragten in Doppelbotschaften. Natürlich bleibe die Religionsfreiheit bestehen, so von der Leyen. „Aber das heißt nicht, dass Religion nicht mehr in der Erziehung thematisiert werden darf.“ Margot Käßmann erklärte einerseits, in evangelischen Kindergärten seien auch andere Glaubensgemeinschaft und nicht gläubige Kinder vertreten. Doch finde sie: „Wo evangelisch drauf steht, muss auch evangelisch drin sein.“

Das Bündnis will nun „Bausteine“ erarbeiten, die wertegebundene Erziehung in pädagogische Konzepte umsetzen. Auch hier dürften sich Pädagogen die Augen reiben, die sich bisher ebenfalls um wertgebundene Erziehung bemühten. Dass die Erzieher besser ausgebildet werden müssten, wurde als Beispiel für eine Aufgabe des Bündnisses genannt. Dass vor kurzem eine von Wissenschaftlern getragene „Nationale Qualitätsoffensive“ sich dieses Problems bereits angenommen hat und ebenfalls „Bausteine“ entwickelte, wurde nicht erwähnt. Stattdessen warb Kardinal Sterzinsky für die „Elternbriefe“, die die katholische Kirche regelmäßig verschickt.