Ein beispielhaftes Fest

Das Kreuzberger Myfest aktiviert erfolgreich Zuwanderer zum Mitmachen. Doch Partizipation müsse immer gefördert werden, meinen Migranten. Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sei da

von Alke Wierth

Der Frust ist groß bei vielen Berliner Migrantinnen und Migranten: Als ausgrenzend, sogar kriminalisierend erleben sie die Debatten um Gewalt an Schulen oder Moscheeneubauten in Berlin. Dass dieser Frust am diesjährigen 1. Mai zu Randale führen könnte, befürchtet in Kreuzberg dennoch niemand.

„Wir kennen es ja nicht anders“, sagt eine Sozialarbeiterin türkischer Herkunft, die namentlich nicht genannt werden möchte. „Der Frust ist doch immer da“, sagt auch Levent Gülfirat vom Jugendtreff Omayra, der vor allem von türkisch- und kurdischstämmigen Jugendlichen besucht wird. Steine schmeißen würden die Jugendlichen deshalb aber nicht, sagt Gülfirat. Er meint jedoch: „Der Eindruck, dass so etwas drohen könnte, wird bewusst erweckt.“ Der „böse Ausländer“ sei zurzeit eben ein gutes Thema.

Die Jugendlichen von Omayra jedenfalls schmeißen, wenn überhaupt, nur mit Hackfleischbällchen. Sie übernehmen das Catering für eine der Bühnen des Kreuzberger Myfestes. Die Strategie der Erfinder des Fests, Migranten einzubinden, hat vollen Erfolg. Letztes Jahr nahmen knapp 20 Jugendliche nichtdeutscher Herkunft am Projekt „Protection 05“ teil und ließen sich als Ordner und Sicherheitskräfte für das Myfest ausbilden. In diesem Jahr sind es mehr als doppelt so viele. Anwohner helfen beim Auf- und Abbau der Bühnen, Migrantengruppen gestalten einen gut Teil des Programms, Vertreter von Zuwanderervereinen diskutieren über Integration und sorgen als Vermittler und Ansprechpartner vor den Bühnen für Ruhe und Ordnung.

Die Bereitschaft, beim Myfest mitzumachen, steige „stetig von Jahr zu Jahr“, berichtet Sylvia Kahle, die Quartiersmanagerin vom Kottbusser Tor. Dort werden auf einer Bühne namens „Multikulti“ Flamenco, orientalische Musik und afrikanisches Trommeln geboten. Am Mariannenplatz gibt es unter dem Motto „My Cepki Day“ türkische Folklore, und in der Naunynstraße, die am 1. Mai „Jugendstraße“ wird, wird multiethnisch gerappt und gebreakdanct.

„Köfte braten allein reicht aber nicht“, sagt Semih Kneip, der als Sozialarbeiter auch in Kreuzberg tätig ist. Mit dem von ihm mitgegründeten „Bündnis kritischer Pädagogen“ hatte sich der Sozialarbeiter geweigert, am 1. Mai 2004 als Vermittler zwischen Migrantenjugendlichen und Ordnungskräften eingesetzt zu werden: „Wir wollten da keine Polizeifunktionen übernehmen“, erklärt Kneip. Das Myfest findet er gut, aber: „Migranten müssten auch sonst stärker gesellschaftlich beteiligt werden.“

„Partizipation ist wichtig“, stimmt Sevgi Kayhan zu. Sie ist Stadtteilmanagerin am Mariannenplatz und bereitet das Myfest mit vor. Die große Bereitschaft der Kreuzberger Migranten, dabei mitzuwirken, zeige deren Willen, Verantwortung zu übernehmen. Das dürfe nicht auf das Myfest beschränkt werden: „Wir ermutigen die Bewohner, sich an allen politischen Entscheidungsgremien und -prozessen im Kiez zu beteiligen“, so Kayhan.

Auch Celal Altun, Generalsekretär der Türkischen Gemeinde Berlin, hofft, dass die beim Myfest vorbildlich praktizierte Einbeziehung der Migranten mehr als „ein symbolischer Festakt“ ist: „Die Probleme der Migranten sind immer vorhanden, die kann man nicht mit kulturellen oder sozialen Veranstaltungen beheben.“ Menschen mit Migrationshintergrund müsse mehr Gelegenheit zur Beteiligung gegeben werden: „Dann werden sie von der Mehrheit als Teil der Gesellschaft wahrgenommen.“

Der türkischstämmige Berliner Eralp Uzun hat das erreicht. In der RTL-Abendserie „Alle lieben Jimmy“ spielt er die Titelrolle. Zudem ist der 24-Jährige gerade auf Postern zu sehen, die auf Deutsch, Arabisch und Türkisch gegen Gewalt am 1. Mai werben. Er tut das, „weil ich der Meinung bin, dass man alles tun sollte, um Gewalt zu verhindern“, sagt Uzun, selbst in Neukölln geboren und in Kreuzberg groß geworden, ärgert es, wenn junge Berliner arabischer oder türkischer Herkunft ständig „in ein schlechtes Licht gerückt werden“: „Die Jungs haben auch Wünsche und Träume. Die brauchen aber jemand, der ihnen dabei hilft, mal aus ihrem Elend rauszukommen.“ Für diejenigen, die sonst immer nur über diese Jugendlichen redeten, sei der 1. Mai eine prima Gelegenheit: „Die Politiker sollten mal herkommen und sich den Fragen dieser Jugendlichen stellen“, meint Uzun.