Britische Rechtsradikale auf dem Vormarsch

Bei den Kommunalwahlen am kommenden Donnerstag könnte die British National Party massiv zulegen. Außer in den Londoner Arbeitervierteln kann sich die Partei vor allem in den Labour-Hochburgen gute Chancen ausrechnen

DUBLIN taz ■ Großbritanniens bürgerliche Parteien haben Angst vor den Wählern. Bei den Kommunalwahlen am kommenden Donnerstag wird die rechtsradikale British National Party (BNP) zulegen, wie sie es seit 1987 bei jeder Parlamentswahl getan hat. Einen Unterhaussitz hat sie freilich noch nie gewonnen, bei den Europawahlen 2004 kam sie auf knapp fünf Prozent. 1993 gewann sie in Millwall in Südlondon ihren ersten Gemeinderatssitz. Inzwischen stellt sie 24 Räte, am Donnerstag könnte sich diese Zahl verdoppeln.

Margaret Hodge, Staatssekretärin im Arbeitsministerium, warnt sogar, dass acht von zehn Wählern in ihrem Ostlondoner Wahlkreis Barking mit dem Gedanken spielen, die BNP zu wählen. Zum ersten Mal sei es weißen Arbeitern nicht peinlich, öffentlich zuzugeben, dass sie ihre Stimme der BNP geben, sagt sie. Die Partei kam bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr in Barking auf 16,9 Prozent. Diesmal werden es 20 bis 30 Prozent sein, prophezeit die antifaschistische Organisation Searchlight. Ihr Direktor Nick Lowles sagt: „Die BNP ist jetzt eine viel größere Gefahr, als sie es jemals war.“ Auch in einem Bericht des Joseph Rowntree Reform Trust heißt es, dass ein Viertel aller Londoner Wähler erwäge, die BNP zu wählen.

Die Partei rechnet sich aber nicht nur in den Londoner Arbeitervierteln Chancen aus, sondern auch in den heruntergekommenen Industriestädten in Mittel- und Nordengland, vor allem in Bradford, wo viele große Firmen in den letzten Jahren ihre Werke geschlossen haben.

Allerdings gibt es in Bradford Streit um einen Kandidaten. Die BNP hat Sharif Abdel Gawad aufgestellt. Er sei „ein völlig assimilierter Griechisch-Armenier“, sagte ein Parteisprecher. Viele Mitglieder meinen jedoch, dass Gawad „aus rassischen Gründen“ gar nicht in der Partei sein, geschweige denn für sie kandidieren dürfe. Das werde die Wähler verwirren, meinte ein örtlicher Wahlkampfleiter. Die BNP müsse eine Partei für Weiße bleiben. Parteichef Nick Griffin hatte 2004 versucht, die Partei auch für Nichtweiße zu öffnen, ist damit aber am Widerstand der Mitglieder gescheitert.

Griffin will der BNP gerne einen seriösen Anstrich geben, aber die Politik ist so krude wie bisher: Englische und ausländische Schüler sollen laut Parteiprogramm segregiert werden, Asylbewerber sollen Straßen kehren. „Großbritannien darf keine homogenisierte kaffeefarbene Nation wie die USA werden“, lautet einer der Wahlslogans.

Am Donnerstag wird in 176 englischen Gemeinden gewählt. Die BNP hat 357 Kandidaten aufgestellt. Die besten Aussichten hat sie ausgerechnet in den Labour-Hochburgen, wo sich viele junge Wähler von der Regierungspartei vernachlässigt fühlen. Die Labour-Führung konzentriert ihren Wahlkampf lieber auf die Wahlkreise mit wackligen Mehrheiten. Das hat eine erbitterte Debatte bei Labour ausgelöst. Einige meinen, man müsse den Wahlkampf verstärkt gegen die BNP führen, andere wollen die Rechtsradikalen lieber ignorieren, um ihnen nicht zu noch mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Andy Burnham, Staatssekretär im Innenministerium, sagte: „Ich mache mir wirklich Sorgen, dass sich der Eindruck durchsetzt, eine Stimme für die BNP sei eine mächtige Proteststimme, wenn wir zu viel über die Partei reden. Man muss den Maßstab wahren. Die kriegen doch niemals 25 Prozent.“

RALF SOTSCHECK