DIE GEWALT IN PALÄSTINA IST DIE FOLGE EINES INTERNEN MACHTKAMPFS
: Hamas muss sich entscheiden

Der Nahe Osten steht am Scheideweg. Die eine Richtung führt zu einer temporären Befriedung, möglicherweise einer Interimslösung zwischen Israel und den Palästinensern und damit zu weniger Toten und Verletzten. Die andere Richtung führt ins Chaos, zum Ende des temporären Waffenstillstands und der Wiederaufnahme der von der Hamas lancierten Selbstmordanschläge.

Die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen und Westjordanland sind Folgen eines Machtkampfs zwischen der radikalislamischen Hamas und der Fatah-Bewegung von Palästinserpräsident Mahmud Abbas. Gleichzeitig vertieft die Einfrierung der internationalen Finanzhilfe die Armut und die Verbitterung unter den Palästinensern so sehr, dass nicht viel dazu nötig ist, um blutige Straßenkämpfe auszulösen. Und diese Entwicklung könnte sich durchaus zu einem Selbstläufer entwickeln.

Die Hamas hat verstanden, dass sie politische Zugeständnisse machen muss, wenn sie die kommenden vier Jahre an der Regierung bleiben will. Und sie hat Bereitschaft dazu signalisiert. Die vorläufig einseitige Aufrechterhaltung des Waffenstillstands ist ein klares Indiz dafür. Gleichzeitig will sie sich nicht dazu zwingen lassen. Nicht nur die westlichen Geberländer üben Druck auf sie aus, sondern auch der Palästinenserpräsident. Mahmud Abbas begründet seine Verfügungen damit, dass er die Regierung zu einer pragmatischeren Position im Friedensprozess und gegenüber Israel zu bewegen versucht.

Was nötig scheint, ist ein Treppchen, mit deren Hilfe die Hamas von ihrem hohen Ross herunterklettern kann. Mit einer schnellen Anerkennung der von den USA und Europa gestellten Bedingungen würden sich die Radikalislamisten vor den eigenen Wählern unglaubwürdig machen. Vorläufig gilt es, Zeit zu gewinnen, um der Hamas-Regierung die Chance zu geben, ihre Haltung zu ändern. Eine schnelle Finanzhilfe ist in der Zwischenzeit sinnvoll, soweit sichergestellt ist, dass das Geld die zivile Bevölkerung erreicht und nicht die Kämpfer der beiden Fraktionen. SUSANNE KNAUL