„Kultur kann die Gesundheit verbessern“

Stefan Horn von der Stadtkunstinitiative Urban Dialogues glaubt, das bildungsferne Jugendliche durch Kulturprojekte inspiriert werden. Die derzeitige Förderpolitik verhindere jedoch die dafür notwendigen langfristigen Projekte

taz: Herr Horn, was haben Sie sich als Vertreter einer Nachhaltigkeitsinitiative vom „Culture is it?“-Kongress am Wochenende versprochen?

Stefan Horn: Konkrete Ergebnisse habe ich von einem Labor gar nicht erwartet. Aber als runder Tisch war der Kongress sehr erfolgreich: Vertreter aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen trugen ihre Ideen zusammen, das langfristige Ziel ist es, zu einer neuen, nachhaltigen Gesellschaftskultur zu finden.

Was vermissen Sie denn aktuell in unserer Gesellschaft?

Momentan sind wir in Gruppen zersplittert, die nur ihre eigenen Interessen vertreten, Zusammenhalt und Gemeinwohl bleiben dabei auf der Strecke. Nichts zeigt das besser, als unser Umgang mit der Natur oder die kurzsichtige Art, wie über Bildung oder Bevölkerungsentwicklung geredet wird. Dabei sollte es doch allen darum gehen, eine Welt zu schaffen, die auch in 50 oder 80 Jahren noch lebenswert ist.

Naturschutz und generationenübergreifendes Denken, das ist Nachhaltigkeit im ökologischen Sinn. In welchem Sinn kann denn Kunst nachhaltig sein?

Nachhaltige Kunst greift gezielt in gesellschaftliche Prozesse ein. Das kann ein Projekt wie unsere „Buchstabenoffensive“ sein, mit dem wir Jugendlichen aus dem Wrangelkiez Zugang zu der Welt der Bücher vermitteln oder ein Schultanzprojekt wie „TanzZeit“ von Livia Patrici. Der Ansatz ist in beiden Fällen ein gesamtgesellschaftlicher und geht über die Laufzeit des jeweiligen Projekts hinaus: Bildungsferne Jugendliche werden durch die Berührung mit Kultur selbstbewusster, entwickeln irgendwann ein besseres Gefühl für ihren Körper, ernähren sich besser … Langfristig kann ein Kunstprojekt also Auswirkung auf Gesundheit oder Sozialverhalten haben.

Kann man solche allmählichen Veränderungen des Bewusstseins überhaupt gezielt steuern?

Mit den jetzigen Förderinstrumenten jedenfalls nicht. Die meisten Projekte werden nur für einen begrenzten Zeitraum finanziert. Unsere Buchstabenoffensive stieß nach dem Pisa-Schock auf großes Interesse in der Politik, doch die Finanzierung endete nach zwei Jahren. Seitdem hangeln wir uns von Fördertopf zu Fördertopf, obwohl der Bedarf immer noch groß ist. Die Häppchenfinanzierung ist nicht nur frustrierend für uns Macher, sondern auch völlig ungeeignet für Projekte, die langfristig etwas bewegen wollen.

Wäre die Lösung also einfach nur mehr Fördergeld? Das sahen die Vertreter aus Wirtschaft und Politik bei dem Kongress doch bestimmt etwas anders …

… im Gegenteil. Es war beruhigend zu erfahren, dass Kulturschaffende und Wirtschaftsinitiativen gar nicht so verschieden denken. Berlins Kultur ist das einzige Pfund, mit dem die Stadt wuchern kann, das haben auch Marketing- und Standortinitiativen erkannt. Statt einen touristischen Hochglanzfilm über die Stadt zu ziehen, sollten alle Beteiligten an der realen Zukunft arbeiten. Natürlich kann ein zweitägiger Kongress nicht die Zukunft Berlins bestimmen, aber zumindest ist ein wichtiger Dialog in Gang gekommen, der unserer Stadt noch viel bringen wird. Interview: Nina Apin