Das Aufenthaltsrecht wird teilprivatisiert

Privatpersonen finanzieren zwei Flüchtlingskindern aus Kamerun den Aufenthalt – ein problematisches Modell

Solidarität ist schön und gut. Aber wenn es den Leuten an den eigenen Geldbeutel geht, hört die Freundschaft auf – sagt der Volksmund. Der Fall der von Abschiebung bedrohten kamerunischen Geschwister Junior und Yanga hat indes gezeigt: Es gibt durchaus Menschen, die bereit sind, ihre Solidarität auch finanziell unter Beweis zu stellen.

Der 15-jährige Junior und seine 18-jährige Schwester Yanga dürfen in Berlin bleiben, weil sich eine Unterstützergruppe bereit erklärt hat, den Lebensunterhalt für die beiden zu übernehmen. Der Fall der Geschwister wirft die Frage auf, ob nach diesem Modell auch andere Menschen wie die kurdische Familie Aydin vor der Abschiebung bewahrt werden könnten.

Die migrationspolitische Sprecherin der PDS, Karin Hopfmann, meint: nein. „Das kann nur im Einzelfall eine Lösung sein.“ Das Risiko für Privatleute sei viel zu groß. Denn das Modell bedeutet, nicht nur die Lebenshaltungskosten zu übernehmen, sondern auch die Kosten für die medizinische Versorgung. Bei einer großen Familie wie den Aydins, bei denen sechs der elf Familienmitglieder akut von der Abschiebung bedroht sind, könnten horrende Kosten entstehen, erst recht im Fall von Krankheit oder Unfall. „So etwas wäre Wahnsinn“, so Hopfmann.

Dass Junior und Yanga in Deutschland bleiben dürfen, sei durch eine „bespiellose Solidaritätsaktion“ möglich geworden, sagt Holger Wicht, der Chefredakteur des schwullesbischen Stadtmagazins Siegessäule. Das Blatt hatte die Unterstützungsaktion mit organisiert. Erst dadurch sei Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dazu gebracht worden, im Fall der Geschwister einzulenken.

Ein Grund für das Engagement des Magazins: Junior ist schwul. In seinem Herkunftsland Kamerun wird Homosexualität bestraft. Die entsprechende Unterstützungsverpflichtung für die beiden jungen Menschen, in der die Kostenübernahme zugesichert wird, wird von zwei Personen aus der Unterstützergruppe demnächst bei der Ausländerbehörde unterschrieben. Laut Wicht zahlen sie eine Summe von rund 2.000 Euro pro Monat für beide. „Wir brauchen aber noch dringend weitere Sponsoren und Spender“, ruft Wicht zu zusätzlichem Engagement auf.

Im Paragraf 68 des Aufenthaltsgesetzes ist geregelt, unter welchen Bedingungen Privatleute eine Verpflichtungserklärung zur Übernahme der Lebenshaltungskosten übernehmen können. Voraussetzung ist, dass der zu Unterstützende nicht selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann, weil er sich in Ausbildung oder Ähnlichem befindet. Zudem darf es keine anderen Hindernisse gegen einen Aufenthaltstitel geben.

Das trifft auf die beiden Kameruner zu: Junior geht zur Schule und wird in einem Wohnprojekt betreut. Yanga befindet sich in Ausbildung. Ihre Mutter verbüßt in Stuttgart eine mehrjährige Haftstrafe. Dem deutschen Staat könne nicht zugemutet werden, die Jugendlichen zu alimentieren, hatte Körting ursprünglich argumentiert.

Die Aufenthaltserlaubnis von Junior und Yanga ist vorerst auf zwei Jahre befristet. „Wir sind glücklich, dass wir die beiden vor der Abschiebung retten konnten“, so Wicht. „Aber politisch ist das Ganze ein Skandal.“ Ob ein Mensch wie Junior ins Unheil abgeschoben wird, könne doch nicht von der Spendenbereitschaft einzelner Privatleute abhängen. „Es ist Aufgabe des Staats, dafür zu sorgen.“

Für die Aydins wiederum würde ein solches Spendenmodell auch überhaupt keine Rettung bedeuten. Denn ihnen wird der Aufenthaltstitel nicht aus materiellen Gründen vorenthalten. Angeführt wird vielmehr, dass sie sich vor Jahren unter falschem Namen zu Unrecht Sozialleistungen erschlichen hätten. Und: Dem Vater wird eine frühere Anhängerschaft zur kurdischen Arbeiterpartei PKK angelastet; eines der Kinder ist vorbestraft.

Am 29. Mai soll in der Samariterkirche in Friedrichshain eine Solidaritätsveranstaltung für die Familie stattfinden. Die Duldung der Aydins, bei der erwogen wird, ein Asylfolgeverfahren zu beantragen, läuft Ende des Monats aus. Bis zuletzt hatten sie auf Eingreifen des Bundespräsident Horst Köhler gehofft. Er hatte eine der Töchter im März für deren besonderes soziales Engagement ausgezeichnet. Jetzt ließ Köhler in einem Brief wissen, dass er an der Entscheidung über die Aufenthaltsbefugnis nichts ändern könne. Einlenken kann nur noch Innensenator Körting. Die Linkspartei forderte ihn auf, der Familie durch die Erteilung einer zweijährigen Aufenthaltserlaubnis eine erneute Chance zu geben und mit ihr eine Integrationsvereinbarung zu treffen. PLUTONIA PLARRE