Grün ist nur der Stadionrasen

Eine klimaneutrale WM hatten die Organisatoren versprochen. Das Ergebnis ist mäßig

In Sydney wurde der Strombedarf komplett mit erneuerbaren Energien gedeckt. Das hätte man auch hier schaffen können

VON CHRISTIAN HONNENS
UND BENJAMIN WÜNSCH

Im März verkündete das Organisationskomitee (OK) der Fußball-WM noch die gute Nachricht: Das „Green Goal“ ist erreicht. Nicht nur der Rasen in den zwölf Stadien ist grün, sondern das ganze Turnier werde ökologisch korrekt verlaufen. Die WM werde sogar die erste klimaneutrale Großveranstaltung im Sport, loben sich die Veranstalter. Stimmt nicht, sagen Umweltexperten. Nicht nur die modernen Arenen haben in einem Test des vom Bundesverband Windenergie herausgegebenen Magazins Neue Energie mäßig abgeschnitten (siehe Randspalten). Auch in puncto CO2-Emissionen wackelt die positive Ökobilanz des OK.

Dabei hatten sich die Verantwortlichen vom DFB so viel vorgenommen: mehr regenerative Energien, weniger Energieverbrauch, mehr öffentlicher Personenverkehr und kein zusätzliches schädliches Kohlendioxid, das unser Klima schädigt. Franz Beckenbauer und sein OK beauftragten das Freiburger Öko-Institut, ein Umweltkonzept zu entwickeln und nannten das ganz Projekt „Green Goal“.

Da während der WM viele Fußballfans auf Straßen, Gleisen und in der Luft unterwegs sind, ist es zwar nicht zu vermeiden, dass mehr Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen wird als sonst. Etwa 100.000 Tonnen verursache der zusätzliche Verkehr in Deutschland, haben die Freiburger Wissenschaftler ausgerechnet. Klimaschutzprojekte in Indien und Südafrika sollen diese Menge CO2 aber ausgleichen. Dafür stellen Organisatoren und Sponsoren der WM insgesamt 1,3 Millionen Euro bereit. Damit sei die WM klimaneutral, schlussfolgerte Horst Schmidt, Vizechef des OK.

„Davon kann keine Rede sein“, sagt Sven Teske, Energieexperte bei Greenpeace. Denn schließlich würden nicht die Emissionen berücksichtigt, die durch den Flugverkehr ausländischer Gäste entstünden. Und die werden von Klimaexperten auf etwa die zwei- bis dreifache Menge der inländischen Ausstöße geschätzt. Auch hätten mehr klimaschädliche Gase eingespart werden können, wenn der Straßenverkehr nicht so einseitig gefördert worden wäre: Für 370 Kilometer neue Straßen und erweiterte Autobahnen wurden von der Bundesregierung 3,7 Milliarden Euro ausgegeben. In die Verbesserung des Nahverkehrs flossen hingegen nur 802 Millionen Euro.

Dabei hatte sich Green Goal auch ein Ziel für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gesetzt: Der Anteil der WM-Besucher, die mit Bus und Bahn anreisen, sollte sich auf 50 Prozent erhöhen. Gegenüber früheren WM-Veranstaltungen, wie der WM 1994 in den USA, mag dies ein Fortschritt sein. Hier ist die Quote allerdings im ganz normalen Bundesligabetrieb längst Standard.

Die Berliner Verkehrsbetriebe transportieren nach eigener Aussage bei Heimspielen von Hertha BSC Berlin gewöhnlich 37.000 Fans. Bei durchschnittlich 45.000 Stadienbesuchern in dieser Saison liegt die ÖPNV-Quote daher bei über 80 Prozent. „Bei Ligaspielen kommen in Deutschland in der Regel 50 bis 60 Prozent der Zuschauer mit öffentlichen Verkehrsmitteln“, sagt Christopher Fiori von der Frankfurter Stadionbetreibergesellschaft SFM. Während der WM führen eher noch mehr Gäste mit dem Auto zu den Stadien, da die Anreisewege länger seien. Außerdem werden zahlreiche Politiker, Funktionäre, Journalisten und Sponsorenvertreter im VIP-Shuttle per Pkw anreisen.

Auch bei den Green-Goal-Umweltzielen für Wasser und Energie sieht es kaum besser aus. Das OK hatte sich vorgenommen, den Bedarf der Stadien zur WM um 20 Prozent zu senken. Bei der Mehrzahl der Austragungsorte war dies jedoch nicht mehr möglich. „Als die Umweltziele Anfang 2003 vorgestellt wurden, waren die Planungen für die Neu- und Umbauten der Stadien längst abgeschlossen“, erklärt Christian Hochfeld, stellvertretender Geschäftsführer des beteiligten Öko-Instituts. Stattdessen will der Energiekonzern und WM-Sponsor EnBW Strom aus Wasserkraftwerken in der Schweiz in das Stromnetz einspeisen. Das macht das Unternehmen aber schon seit Januar. Und die Kraftwerke sind schon seit Jahrzehnten in Betrieb. Der Klimaeffekt ist also gleich null.

„In Sydney konnte der Strombedarf zu 100 Prozent über erneuerbare Energien gedeckt werden. Auch in Deutschland hätte man dies ohne größere Mehrkosten bewerkstelligen können“, kritisiert Sven Teske das Energiekonzept. Er betreute für Greenpeace die Olympischen Spiele 2000 in Sydney. Die WM wäre zudem eine Chance gewesen, das hohe Niveau der deutschen Technik in diesem Bereich zu präsentieren. Insgesamt lobt Teske zwar die Ansätze der Green-Goal-Kampagne, bezeichnet sie aber lediglich als eine „Lightversion“ dessen, was möglich gewesen wäre.

„Aus ökologischer Sicht ist das Green Goal trotzdem ein Erfolg“, sagt OK-Sprecher Thomas Hackbarth der taz. So sei der Verkehr bei der WM prinzipiell nicht mit dem der Bundesliga zu vergleichen. „Für uns bleibt die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland die erste klimaneutrale WM, weil die CO2-Emissionen des Verkehrs in Deutschland komplett neutralisiert werden.“