Jetzt wird zurückgespitzelt

Der Verfassungsschutz-Ausschuss diskutiert, ob Vereine einstiger Stasi-Mitarbeiter überwacht werden sollen. Die Behörde will prüfen, ob die Voraussetzung gegeben sind

Die Stasi hat wirklich einen langen Atem: Da tauchen bei einer Veranstaltung einige alternde Exmitarbeiter des Spitzeldienstes auf und schwadronieren vom DDR-Geheimdienst, der gar nicht so schlimm gewesen sei. Damit verunsichern sie den anwesenden Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) so sehr, dass er erst Tage später zugibt, nicht vehement genug gegen die ehemaligen Stasi-Offiziere vorgegangen zu sein. Diese Veranstaltung im März beschäftigt nun auch den Verfassungsschutz – und den gleichnamigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses.

Dessen Mitglieder stritten gestern über die Frage, ob der Verfassungsschutz nicht doch sein Augenmerk auf die noch immer existierenden diversen Vereine früherer Stasi-Offiziere richten sollte. Immerhin betrieben sie Geschichtsrevisionismus und verharmlosten Menschenrechtsverletzungen in der DDR, erklärte Innensenator Ehrhardt Körting (SPD). Gleichzeitig verwies Körting darauf, dass die Verfassungsschützer nur bei „Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung tätig werden dürften. Da genau liegt der Haken: Er finde es zwar unerträglich, wenn frühere Stasi-Leute verstärkt in der Öffentlichkeit aufträten. „Aber“, so Körting: „Geschichtsrevisionistische Cliquen sind nicht Gegenstand des Verfassungsschutzes.“

Das sieht die CDU-Fraktion anders. Sie hatte die Debatte gestern in den Ausschuss eingebracht. Ewiggestrige nutzten das Vereinsrecht und würden offensiv mit Briefen an Schulen, im Internet und auf öffentlichen Veranstaltungen „Geschichtsklitterei“ betreiben, monierte der CDU-Abgeordnete Andreas Gram. Das DDR-Ministerium für Staatssicherheit feiere „fröhliche Urständ“. Gram forderte deswegen die Überwachung aller Stasi-Vereine.

Die Grünen, die sonst besonders in Verfassungsschutzfragen selten einer Meinung mit der Union sind, schlossen sich dem CDU-Kollegen an. Der Verfassungsschutz beobachte zwar eine Neuköllner Antifagruppe beim Bastel-Workshop beobachten, sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Die Zusammenrottung von professionellen Geheimdienstleuten werde hingegen ignoriert. „Sehr wohl hat der Verfassungsschutz eine Entwicklung verschlafen“, schimpfte Ratzmann.

Um die Gemüter zu beruhigen, kündigte Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid an, dass ihre Behörde prüfen werde, ob die Voraussetzungen für eine Überwachung von Stasi-Vereinen vorliegen. Wenn es Anhaltspunkte für eine Aushebelung der Verfassungsgrundwerte gebe, werde ihre Behörde dem selbstverständlich nachgehen. Damit gaben sich die Kritiker zufrieden. Vorerst. FELIX LEE