„Diesen Kampf müssen wir führen“

Seine anfängliche Zurückhaltung hat er abgelegt: Hans-Christian Ströbele, direkt gewählter grüner Bundestagsabgeordneter für Friedrichshain-Kreuzberg, unterstützt nun auch die geplante Teilumbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße

von PLUTONIA PLARRE

taz: Herr Ströbele, Sie haben lange gezögert. Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, die Initiative der taz zur Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße nun doch zu unterstützen?

Hans-Christian Ströbele: Ich habe Rudi Dutschke gekannt und meine zu wissen, wie er gedacht hat. Deshalb hatte ich Zweifel, ob er mit der Umbenennung einer Straße nach ihm einverstanden gewesen wäre.

Aus politischen Gründen oder weil Dutschke keinen Personenkult wollte?

Weil das zu den Antiautoritären nicht gepasst hat. Wenn wir Ende der 60er über so etwas wie eine Straßenumbenennung nach seinem Namen diskutiert hätten, hätten alle den Kopf geschüttelt und gesagt: Haben wir nichts Wichtigeres zu tun?

Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?

Seit Spätherbst 2005 geht es immer mehr um eine politische Auseinandersetzung – taz gegen Springer. Die Rudi-Dutschke-Straße geht ja am Springer-Hochhaus vorbei und trifft dort auf die Axel-Springer-Straße. Als ich gemerkt habe, dass Springer das verhindern will, ist mir klar geworden: Rudi Dutschke hätte keinen Augenblick gezögert zu sagen: Diesen Kampf müssen wir führen. Seitdem unterstütze ich die Initiative vehement.

Der Springer-Verlag hat bislang jegliche politische Aussage vermieden. Er versteckt sich hinter einer Anwohner-Interessengemeinschaft, die gegen die Umbenennung klagt.

Das ist feige und scheinheilig. Dass Springer etwas aufzuarbeiten hat, ist doch ganz eindeutig. Schließlich waren es der Verlag und seine Hetze gegen die Studenten, die zu dem Anschlag auf Rudi Dutschke beigetragen haben. Ich erinnere mich an die große Demonstration Ostern 1968 nach dem Anschlag auf Rudi, wie wir zum Springer-Haus gezogen sind und versucht haben, Springer das Handwerk zu legen. Das ist uns damals zwar nicht gelungen, aber das wirkt bei Springer eindeutig nach.

Und die 68er-Veteranen wie Sie – haben die auch noch etwas aufzuarbeiten?

In der Auseinandersetzung mit dem Springer Verlag nicht. Der sollte erst mal Selbstkritik leisten und zwar eine profunde – vor allem was die Machtblätter Bild und B.Z. angeht.

Das alles erklärt aber nicht, warum aus einer einfachen Straßenumbenennung ein solcher Kulturkampf geworden ist. Worum geht es wirklich?

Die CDU und die anderen versuchen, das Ganze zu einer großen Abrechnung mit den 68ern hochzustilisieren. Je schlimmer die Äußerungen über Rudi Dutschke, um so dringender ist es, für die Straßenumbenennung zu kämpfen.

Ihre persönliche Motivation in Ehren. Aber warum sollten sich die jungen Leute von heute für eine Dutschke-Straße engagieren?

Der Name Rudi Dutschke steht für einen demokratischen, aber auch revolutionären Weg zu einer besseren, sozial gerechteren Welt. Er steht für die neue Linke, die sich heftig abgesetzt hat von den Fehlentwicklungen der „realsozialistischen Staaten“, von einem Sozialismus zum Abgewöhnen. Das war auch der Grund, weshalb Dutschke die DDR verlassen hat. Es geht um die Ehrung eines Mannes, der letztendlich sogar für die Idee einer gerechteren, sozialistischen Gesellschaft gestorben ist. Das alles ist Grund genug. Auch für junge Leute, die das nicht persönlich erleben konnten, die aber durch die Auseinandersetzung um die Umbenennung dazu veranlasst werden, sich mit Rudi Dutschke zu beschäftigen.

Es sieht es so aus, als ob die CDU die 5.000 Unterschriften für das Bürgerbegehren zusammenbekommt. Danach geht der Straßenkampf erst richtig los.

Dann sind alle aufgerufen mitzumachen, die mit dem Namen Rudi Dutschke auch eine persönliche Entwicklung verbinden, für die Dutschke in der jüngeren deutschen Geschichte eine Figur war, derentwegen sie sich politisch engagiert haben. Alle diese Menschen müssen dafür sorgen, dass sich die taz mit ihrer Initiative durchsetzt.

Wie schätzen Sie die Stimmungslage in Friedrichshain- Kreuzberg – immerhin Ihr eigener Wahlkreis – ein?

Die Leute dort wählen ganz überwiegend links. Das Problem ist ein bisschen, dass ausgerechnet der Bereich um die Kochstraße von Leuten dominiert zu sein scheint, die anders wählen.

Wagen Sie mal eine Prognose: Kommt die Rudi-Dutschke- Straße?

Als die taz die Initiative ergriffen hat, war ich skeptisch. Inzwischen ist die Sache zu einem Politikum geworden. Ich gehe davon aus, dass wir Erfolg haben werden, auch wenn es möglicherweise noch lange dauern wird. Besonders freut mich: Im Zusammentreffen mit der Axel-Springer-Straße wäre die Rudi-Dutschke-Straße die längere und breitere und damit die wichtigere Straße.