Deutschlernen schwer gemacht

Nach der neuen Pisa-Auswertung stehen die Förderprogramme für Migranten auf dem Prüfstand. Lehrer sehen die Bekenntnisse zur Sprachförderung noch nicht in der Praxis angekommen. Türkische Elternvereine fürchten weitere Kürzungen

Viele Migranten fragen sich, ob ihre Kinder eine Zukunft in diesem Land haben

VON ALKE WIERTH

Möglichst frühe Sprachförderung für Kinder aus Zuwandererfamilien – darin sieht Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) den Ausweg aus dem schlechten Abschneiden von Migrantenkindern an deutschen Schulen. Die am Montag veröffentlichte Analyse der letzten Pisa-Ergebnisse hat erneut gezeigt, dass Kinder aus Migrantenfamilien in Deutschland extrem schlechte Bildungschancen haben – umso schlechtere, je länger sie bereits hier leben.

Nicht nur haben Migrantenkinder in der Bundesrepublik bei den Vergleichstests bis zu 20 Prozent weniger Punkte erreicht als ihre deutschstämmigen Mitschüler. Deutschland steht auch im internationalen Vergleich weit hinter erfolgreichen Einwanderungsländern wie Kanada oder Hongkong, wo Einwandererkinder die Leistungsergebnisse einheimischer Schüler sogar übertreffen.

Bereits nach der Veröffentlichung der ersten Pisa-Studie 2001 waren viele Sprachfördermaßnahmen in Bund und Ländern beschlossen worden – bislang offenbar ohne großen Erfolg. Während Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg, wo der Unterschied zwischen SchülerInnen mit und ohne Migrationshintergrund am geringsten ausfällt, vor allem auf spezielle Förderklassen für Kinder nicht deutscher Herkunft setzen, sind diese in Berlin, einem der Schlusslichter im Pisa-Vergleich, gerade abgeschafft worden. Hier werden Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen in die normalen Schulklassen integriert, erhalten aber Förderstunden in „DAZ“: Deutsch als Zweitsprache.

Zu den nach dem Pisa-Schock aufgelegten Programmen gehört auch das von der Bund-Länder-Kommission (BLK) und zehn Bundesländern gemeinsam getragene Modellprogramm „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund – Foermig“. Ziel ist, die Sprachförderung der Länder zu koordinieren, aber auch den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Lokale Netzwerke sollen dabei alle bisherigen Maßnahmen bündeln: von Sprachkursen für Mütter bis zum Umgang mit vorschulischen Sprachtests. „Sprachförderung alleine reicht nie“, meint die Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Gogolin, die das Foermig-Projekt leitet. Sprachkenntnisse seien aber die Grundlage für Bildungserfolge.

Dem stimmen auch die Experten von Gewerkschaft oder Lehrerverbänden zu. Unzufrieden sind sie aber mit der praktischen Umsetzung geplanter Maßnahmen. Die Bekenntnisse zum Ausbau der Sprachförderung seien bisher in der Praxis nicht richtig angekommen, kritisiert Ludwig Eckinger, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).

Und auch die GEW klagt über Umsetzungsprobleme. Vielerorts würden Stellen gestrichen. Sprachförderprogramme würden zum Teil von Ein-Euro-Jobbern umgesetzt.

Dass trotz der schlechten Zahlen im Bildungsbereich finanziell weiter erheblich gekürzt werde, hält auch die Föderation der Türkischen Elternvereine in Deutschland (Föted) für ein Hauptproblem. Es sei bekannt, dass an vielen der unter chronischem Lehrermangel leidenden Berliner Schulen DAZ-Lehrer statt für den Sprachunterricht für Vertretungsstunden eingesetzt würden, meint Berrin Alpbek, stellvertretende Föted-Vorsitzende: „Die Maßnahmen greifen nicht, weil sie nicht richtig umgesetzt werden.“ Doch auch die zunehmende Ausgrenzung spiele für den Bildungserfolg von Zuwandererkindern eine Rolle: „Viele Migranten fragen sich, ob ihre Kinder überhaupt eine Zukunft in diesem Land haben“, so Alpbek. Dies wirke sich negativ auf das Engagement für die Bildung der Kinder aus.