Die Stunde der Krankenschwestern

Eine Klinik, zwei Streiks: Die Tarifverhandlungen der Ärzte mit den Ländern stecken fest, morgen verhandelt Ver.di über einen Tarifvertrag für Pfleger. Die sind langsam sauer auf die Ärzte

BERLIN taz ■ Morgen gilt’s: Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di will versuchen, mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) einen Vertrag auszuhandeln, der unter anderem für die 135.000 Pfleger und Schwestern an den Unikliniken und Landeskrankenhäusern gelten soll. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund ist bisher mit ihren Verhandlungen gescheitert – doch gerade dies lässt den Ver.di-Sprecher Jan Jurczyk, der vor allem Pfleger und Krankenschwestern vertritt, auf einen Abschluss hoffen: „Und sei es nur deshalb, dass die TdL zeigen will, dass sie auch konstruktiv verhandeln kann.“

Ver.di möchte, dass die Landesbediensteten nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD) besoldet werden, der in Bund und Kommunen bereits in Kraft ist. Dafür streiken die Pfleger und Schwestern an den Unikliniken seit 12 Wochen – acht Wochen davon im Schatten der Ärzte. Die Ärztegewerkschaft hatte im September die Zusammenarbeit mit Ver.di aufgekündigt und eigene Verhandlungen für ihre 22.000 Mitglieder an den Uni- und Landeskrankenhäusern anberaumt.

Gegenüber der taz verteidigte der Chef des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, diesen Schritt. Ein Tarifvertrag, der für Sachbearbeiter gelte, sei für Ärzte unpassend: „Denn wir produzieren kein Papier, wir produzieren Gesundheit“, sagte Montgomery. Das Betriebsklima ist frostig, seitdem der Marburger Bund ausgeschert ist. Verdi-Sprecher Jurczyk fasst die Stimmung vieler Pfleger und Krankenschwestern so zusammen: „Es entsteht der Eindruck, dass die Ärzte sich um nichts anderes als um ihr eigenes Fortkommen kümmern.“ Während die Mediziner zweistellige Gehaltszuwächse fordern und dafür auch vertraglich mehr arbeiten wollen, kämpft das Pflegepersonal gegen Mehrarbeit und für die 38,5-Stunden-Woche. Darüber konnten sich Länder und Dienstleistungsgewerkschaft bisher nicht einigen – die morgigen Tarifverhandlungen werden schwer.

Doch ein geglückter Vertragsabschluss könnte die Position der Arbeitgeber gegenüber den streikenden Ärzten stärken. So richtete TdL-Geschäftsführer Ulrich Rieger an die Adresse des Marburger Bundes die Drohung: „Der TVÖD gilt formal für alle Angestellten im öffentlichen Dienst – auch für Ärzte. Ob diese unterschiedlich bezahlt werden können, sollen die Juristen entscheiden.“ Rieger warnte den Marburger Bund, ein besseres Angebot würden die Länder definitiv nicht vorlegen. Sie hatten angeboten, jungen Assistenzärzten im ersten Berufsjahr 510 Euro mehr zu zahlen. Nach Rechnung des Marburger Bundes würde der reale Gehaltszuwachs jedoch nur ein Prozent betragen. Die Unikliniken befürchten indessen Mehrausgaben bis zu zehn Prozent.

Über diese Differenzen diskutierten gestern Marburger Bund und Verwaltungschefs der Baden-Württembergischen Landesregierung. Doch im Stuttgarter Finanzministerium wiegelt man ab: Die Gespräche seien keine Tarifverhandlungen – und das Land habe auch nicht vor, aus der TdL auszutreten, betonte eine Sprecherin. ANNA LEHMANN