Lesben aus dem Denkmal gekürzt

betr.: „Die Erinnerungslücken bleiben“, „Eine schiefe Stele“ (Das Mahnmal für Homosexuelle im Berliner Tiergarten überzeugt durch die Aussage zu männlicher Intimität), taz vom 10. 5. 06

Gratulation! Knapp ein Jahr nach der Eröffnung des zentralen Holocaust-Mahnmals im Berliner Zentrum ist er entschieden: der offene Kunstwettbewerb für das „Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“. Es war eine lange Wegstrecke für die Lesben und Schwulen, bis sie Erfolg hatten – und das nicht erst seit ihrem Antrag für ein Denkmal im Deutschen Bundestag vom 1. Juli 2003.

Aber: „Vergisst“ der nun vom Preisgericht ausgelobte Entwurf des dänisch-norwegischen Künstlerduos Elmgree/Dragset nicht etwas Zentrales und Substanzielles? „Homosexuelle“ meint Schwule und Lesben – so steht es explizit im Antrag und so wurde es auch am 12. Dezember 2003 vom Bundestag beschlossen. Doch „worauf es (nun) ankommt“, ist, dass das Künstlerduo in seiner quaderartigen Skulptur eine Art Fenster eingebaut hat, das den Blick auf eine Videoprojektion richtet – auf zwei sich küssende Männer … Eine Endlosschleife, die so endlos die Lesben aus dem Denkmal kürzt. Wie dies an den das Mahnmal für „verfolgte schwule Männer“ (sic!) beschreibenden und feiernden Artikeln Jan Feddersens bereits allzu deutlich wird.

Aber: Homosexuelle meint Lesben und Schwule. Der Entwurf hat diesbezüglich eklatante Defizite und bedarf dringend einer Überarbeitung. Denn ein Denkmal, das ein Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen soll, sollte mit seiner subtextlichen Bild-Konzeption keine Ausgrenzung vollziehen. Dieses aber ist dem Denkmal in dieser Ausführung zu Eigen. Eine Erweiterung ist nötig. Denn wenngleich weibliche Homosexuelle in Deutschland keinem § 175 ausgesetzt waren, der „rosa Winkel“ nicht ihre Stigmatisierung war, so waren lesbische Frauen von den frauenpolitischen Maßnahmen des Regimes betroffen und sie wurden – wenn nicht bereits als Jüdin oder Politische – als von der Norm abweichend als „Asoziale“ verfolgt, auch ins KZ verschleppt und dort mit dem „schwarzen Winkel“ stigmatisiert. Sie erlebten gleichermaßen die Zerstörung der Subkultur und das repressive Klima der Diktatur, die zum Doppelleben und zur Zeit der Maskierung führte – und die auch für sie noch in bundesrepublikanischen Zeiten fortgesetzt werden muss(te).

Die Bundesrepublik entschied, nicht allein für schwule Opfer ein Denkmal zu setzen. Die weibliche bzw. lesbische Seite der Geschichte darf nicht unsichtbar bleiben, sonst entsteht nur ein neues Klima des Beschweigens. Dringend nötig ist also eine geschlechtergerechte Überarbeitung des Denkmals. Z. B., indem die Endlosschleife zweier sich küssender Männer eine korrigierende Erweiterung um sich küssende Frauen erfährt – in wechselnden Sequenzen oder nach paritätischem Modus jeden zweiten Tag? Noch ist es ein Entwurf, und die Ausführung kann kostengünstig korrigiert werden. Denn es ist klar: „Mehr als das, was die (…) Majorität zubilligt, ist freilich nicht zu haben.“ Aber das, bitte schön, geschlechterdemokratisch!

I. S. UND D. H. für den Lesbenring e. V.

(Name und Anschrift sind der Red. bekannt)