Nenn mich Erna

Ein neue Studie sagt: Kinder mit nichtdeutschen Namen kommen aus schlechter integrierten Familien. Das passt zur aufflammenden Patriotismusdebatte. Aber stimmt es überhaupt?

VON KIRSTEN REINHARDT

Heute um 22.45 Uhr treffen sich Alice, Hugo, Egon, Gregor, Florian, Til und Matthias bei Reinhold. Sie werden über der Deutschen „Rückkehr zu Vaterlandsliebe und Patriotismus“ parlieren. Zieht man Rückschlüsse der Namen auf ihre Träger, handelt es sich um Menschen deutscher Herkunft, mit mittelständischem und bildungsnahem Hintergrund.

Mike, Jennifer und Taifun sind nicht eingeladen. Lasse, Finn und Emma-Rose sind noch zu klein, um über die Lage der Nation zu sprechen. Aber in ein paar Jahren werden sie ganz vorne dabei sein. Ihre Eltern haben sich schlauerweise für Namen entschieden, die auf ihre bildungsbürgerliche, bullerbüeske Herkunft hinweisen.

Eltern, die ihre Kinder traditionsbedingt, aber nicht in deutscher Tradition benannt haben, stehen blöd da. Was der Vorname noch über einen Menschen verrät, hat das Institut für Wirtschaftsforschung untersucht und in einer Studie vorgelegt: „Zur Erklärung der Assimilation von Migranten an die Einwanderungsgesellschaft am Beispiel der Vergabe von Vornamen“. Untersucht wurden die Vornamen nach 1984 geborener Migrantenkinder aus der Türkei, aus Exjugoslawien und Südwesteuropa (Italien, Spanien, Portugal).

Ein paar Zahlen: 36,7 Prozent der Sprößlinge südwesteuropäischer Einwanderer tragen Namen, die nur im Heimatland üblich sind. Die Exjugoslawen bleiben ihrer alten Heimat zu 46,1 Prozent treu, und bei den Türken sind es stolze 91,5 Prozent. Das bedeutet aber nicht, dass die Deutschtürken weniger integriert sind. Ihre Kultur ist der Deutschen einfach viel ferner als die der anderen, meist christlich geprägten Länder.

Bei der Namenswahl spielt unter anderem die Bildung der Eltern eine Rolle. Zwei Drittel der Migrantenkinder von Eltern mit mindestens einem Realschulabschluss tragen deutsche Namen, aber nur 28,9 Prozent der Kinder aus bildungsfernen Familien.

Eine These der Studie: Geben Migranten ihren Kindern Namen aus dem Herkunftsland, gelten sie als weniger „assimiliert“ als jene, die sich für deutsche Namen entscheiden.

Was heißt das konkret? Geben Eltern ihren Kindern Namen der neuen Heimat, weil sie sich ihr verbunden fühlen? Möglich. Oder weil sie glauben, dass es ein Alexander in Deutschland leichter hat als ein Mehmet? Auch möglich. Und beunruhigend. Nach Untersuchungen aus den USA, werden Menschen mit eindeutig Nicht-WASP-Vornamen bei der Vergabe von Arbeitsplätzen diskriminiert. Auch bei uns ist denkbar, dass Jonas eher zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird als Mohammed.

Und wo bleibt die Vielfalt Europas? In den Siebzigerjahren nannten westdeutsche Italienurlauber ihre Kinder nach dem schönen Eisverkäufer Marco; die Ostdeutschen verliehen ihren Sehnsüchten mit Cindys und Ronnies Ausdruck. Neobürger klauen die Namen aus Astrid Lindgrens Büchern. Und wenn wir Gianna und Ramazan kennen lernen, sollen wir nun wissen, dass ihre Eltern ungebildet und unassimiliert sind? Vielleicht haben sie einfach eine gesunde Portion Heimatliebe; genau so, wie wir Deutschen es angeblich auch gerade lernen.