No-go-Areas
: Opferperspektive fehlt völlig

Nichts gegen Kontroversen. Aber im jüngsten Streit über rechtsextreme Gewalt und „Angsträume“ läuft einiges schief. Denn diskutiert wird lediglich über die Äußerungen von Politikern – die Perspektive der Opfer rassistischer Gewalt wird hingegen völlig ausgeblendet.

Kommentar von FELIX LEE

Dabei soll hier gar nicht näher auf den vermutlich rassistisch motivierten Übergriff auf den PDS-Politiker Sayan eingegangen werden. Zu derbe wären Unterstellungen, die Tat sei inszeniert, sollte sich herausstellen, dass sich der Vorfall tatsächlich so ereignet hat. Im Zweifel für die Angeklagten – doch solange nichts Gegenteiliges bewiesen ist, gilt die Solidarität dem Opfer.

Und genau die fehlt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) redet „No-go-Areas“ klein. Er hält die Reisewarnung von Exregierungssprecher Heyes an dunkelhäutige Deutschlandbesucher, bestimmte Orte zu meiden, für „kontraproduktiv“. So überlasse man den Rechten die Straße.

Nicht löblicher: der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland. Er befürchtet, Neonazis könnten Heyes Aussage als ihren Sieg verbuchen. Interpretiert hieße dies: Schickt die Ausländer in die Nazi-Kieze.

Auch ohne den jüngsten Verfassungsschutzbericht zu zitieren, wonach die Zahl rechter Gewalttaten bundesweit um rund ein Viertel gestiegen ist: Bei „No-go-Areas“ zählt nicht die Statistik der tatsächlich begangenen Übergriffe. Es geht allein um die subjektive Angst um Leib und Leben, die Menschen an bestimmten Orten haben müssen. Sei es, weil sie selbst schon einmal bedroht worden sind, oder weil es an diesen Stellen bereits zu Vorfällen gekommen ist. Die Definitionsmacht kann nur bei den potenziellen Opfern liegen. Ignoriert die Politik diese Angst und redet das Problem klein – dann haben die Neonazis gewonnen.