Entsetzen über Überfall auf PDS-Politiker

Nach dem offenbar rassistisch motivierten Übergriff auf den kurdischstämmigen PDS-Politiker Giyasettin Sayan reagieren Politiker geschockt. In der Partei gibt es allerdings auch Zweifel an Sayans Darstellung des Vorfalls

Uwe Carsten Heye könne so ganz Unrecht nicht haben – zu diesem Schluss kommen Berliner Politiker und Vertreter von Migranten in Reaktion auf den offenbar rassistisch motivierten Übergriff auf den kurdischstämmigen Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan. Der ehemalige Regierungssprecher Heye hatte mit seiner Aussage, manche Gebiete „in Brandenburg und anderswo“ könnten dunkelhäutige oder anders aussehende Menschen nicht gefahrlos betreten, eine Debatte um „No-go-Areas“ für Migranten ausgelöst.

Der Fall Sayan zeige, dass dies eine Wirklichkeit sei, „vor der auch in Berlin viele stehen“, meint der Integrationsbeauftragte Günter Piening. Es gebe Orte, „wo die Sicherheit von Menschen, die als Ausländer wahrgenommen werden, eingeschränkter ist als die von Blonden und Blauäugigen“, so Piening. Entsetzt reagierte auch Safter Cinar vom Türkischen Bund Berlin (TBB) auf den Vorfall. Dieser zeige, dass Uwe Carsten Heye nicht falsch gelegen habe, so Cinar zur taz: „Es gibt sogar in Berlin Gegenden, wo einem so etwas widerfahren kann.“

Der PDS-Abgeordnete Sayan wurde am Freitagabend ausgerechnet in seinem eigenen Wahlkreis nahe dem Bahnhof Lichtenberg angegriffen und schwer verletzt. Gegen 22.30 Uhr sei er in der Lichtenberger Margaretenstraße von zwei Männern angesprochen worden, als er sein dort geparktes Auto abschloss. „Scheißtürke“ hätten die ihn genannt und mit einem Gegenstand niedergeschlagen, berichtete Sayan der taz. Mit erheblichen Kopfverletzungen und Prellungen liegt der kurdischstämmige Politiker, der seit 1995 für die PDS im Abgeordnetenhaus sitzt, seither im Krankenhaus.

Die Margaretenstraße kreuzt die als Neonazi-Hochburg bekannte Weitlingstraße. Von den Tätern gibt es bisher keine Spur. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen und für Hinweise eine Belohnung von 3.000 Euro ausgesetzt. Die Polizei geht nach Auskunft eines Sprechers von einem fremdenfeindlichen Überfall aus.

Sayan sei kaum imstande zu sprechen und habe offenbar Erinnerungslücken, da er durch die Schläge auf den Kopf nahezu bewusstlos gewesen sei, berichtet der PDS-Bundestagsabgeordnete Hakki Keskin, der Sayan am Samstag im Krankenhaus besuchte. Er sei über die Tat erschüttert, so Keskin: „Wo leben wir eigentlich?“ Der Staat nehme seine Aufgabe, Bürger anderer Herkunft oder Hautfarbe zu schützen, nicht ausreichend ernst. „Politisch Verantwortliche müssen bei ihrer Wortwahl sorgfältiger sein“, meint Keskin. Wenn nach rassistischen Übergriffen Politiker solche Taten verharmlosten, wie im Falle des kürzlich in Potsdam schwer verletzten Deutschen äthiopischer Herkunft, würden Täter ermutigt.

Der Angriff auf Giyasettin Sayan wirke „wie die nachrichtliche Bestätigung dessen, was Heye gesagt hat“, meint auch der Berliner Vorsitzende der Linkspartei.PDS, Klaus Lederer. Gemeinsam mit Wirtschaftssenator und PDS-Spitzenkandidaten Harald Wolf besuchte er gestern den schwer Verletzten.

Doch in seiner eigenen Partei glauben nicht alle an die Darstellung Sayans: Es sei „nicht auszuschließen“, dass er den Vorfall inszeniert habe, heißt es aus Parteikreisen. Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren hatte der 56-Jährige mit 42 Prozent der Stimmen in seinem Wahlkreis ein Direktmandat errungen. Für die kommende Wahl im September hatte die Lichtenberger PDS ihn nicht mehr als Kandidaten nominiert. Die Wahl der Lichtenberger Direktkandidaten, die gestern stattfinden sollte, wurde zunächst verschoben. PDS-Parteichef Lederer wies Spekulationen, Sayan habe den Überfall selbst inszeniert, allerdings als „aberwitzig“ zurück. ALKE WIERTH

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