Die Nazis fest im Griff

Polizei wehrt sich gegen Vorwürfe, zu wenig gegen Nazis zu unternehmen. Zu Recht: Nur in Berlin und Brandenburg geht die Zahl rechtsextremer Gewalttaten zurück. Grüne: Stadt soll damit werben

von Plutonia Plarre

Nach dem mutmaßlich fremdenfeindlichen Übergriff auf den kurdischstämmigen Abgeordneten der Linkspartei, Giyasettin Sayan, haben Bundespolitiker den Schuldigen ausgemacht: Die Polizei gehe nicht entschlossen genug gegen Rechtsextremisten vor. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch weist den Vorwurf entschieden zurück. Beistand bekommt er von unerwarteter Seite: dem Mobilen Beratungsteam „Ostkreuz“, das sich um Demokratie und Menschenrechte kümmert.

Gerade in Berlin sei die Polizei „gut aufgestellt“, was die Verfolgung von Rechtsextremen betreffe, so eine Mitarbeiterin von Ostkreuz zur taz. Personifiziertes Beispiel sei der Leiter der Polizeidirektion 6, Michael Knape. Der 54-Jährige, zuständig für den Ostteil der Stadt, hat so einen Verfolgungsdruck aufgebaut, dass seit 1999 kein Skinhead-Konzert mehr in Berlin stattgefunden hat. Die rechtsextremen Kameradschaften Baso und Tor hat Innensenator Ehrhart Körting (SPD) 2005 verboten.

Allen voran hatten der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD) und der Unions-Fraktionsvize, Wolfgang Bosbach, die Polizei kritisiert. Sie würde Anrufe und Anzeigen besorgter Bürger nicht ernst genug nehmen und die präventive Arbeit vernachlässigen, hieß es unter anderem.

Dabei stehen betroffene Gebiete längst unter strenger Polizeibeobachtung. Bestimmte Straßenzüge in Friedrichshain, Lichtenberg und Friedrichsfelde werden in einer Broschüre des Verfassungsschutzes von 2005 als „verdichtete Räume rechter Gewalt“ ausgewiesen. Den Begriff „No-go-Area“ lehnen Polizei und Verfassungsschutz ab.

Kein Polizist weiß besser als Knape, was für Angst und Schrecken die Rechtsextremen verbreiten können. Auf einer CD wird der Polizeidirektor als „Nazi-Jäger Nummer 1“ verhöhnt, nächtlicher Telefonterror sowie die Plakatierung seines Bildes als Steckbrief gehören zum Repertoire seiner Gegner.

Knape setzt zusammen mit dem Landeskriminalamt und der Innenverwaltung auf stetigen Verfolgungsdruck „bis an die Grenze des rechtlich Zulässigen“. Zusammen mit dem großen zivilgesellschaftlichen Engagement gelingt es so, dass Rechtsextreme in Berlin nicht an Boden gewinnen. Im Verfassungsschutzbericht von 2004 sind 51 Taten als rechtsextremistisch motivierte Körperverletzung ausgewiesen, 2005 sind es 44. Auch wenn die Schlagzeilen der vergangenen Wochen anderes suggerieren: Laut dem gestern vorlegten Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind Berlin und Brandenburg die einzigen Bundesländer, in denen rechtsextreme Gewalttaten abnehmen.

Statt sich zu verstecken, sollte die Berliner Polizei ihr offensives Vorgehen gehen rechts zum Aushängeschild für die Stadt machen, rät Volker Ratzmann, Fraktionschef der Grünen. Zudem solle sie durch mehr Präsenz – nicht nur in Zivil sondern in Uniform – das Sicherheitsgefühl in den Problemgebieten stärken.

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