Dylan lächelt. Und spricht!

Zum 65. Geburtstag des Meisters: das Bob-Dylan-Porträt „No direction home“ (WDR 23.15 Uhr, BR 23.20 Uhr)

Fünf Jahre brauchte Robert Zimmermann aus Minnesota, um vom dürrbeinigen Straßenmusiker zu Bob Dylan, dem unfreiwilligen Sprachrohr seiner Generation, zu werden. Ebendiese Zeit, von 1961 bis 1966, beschreibt der Film. Zum 65. Geburtstag Bob Dylans gibt es kein allumfassendes Lebensporträt, sondern ein Zeugnis seiner Metamorphose zum Mythos.

Aus über 100 Stunden Filmmaterial hat US-Regisseur Martin Scorsese ein dreieinhalbstündiges Porträt gebastelt: ein rares, recht ausführliches und aktuelles Interview mit Dylan collagiert er mit unveröffentlichten Live-Auftritten, Studioaufnahmen und Ausschnitten aus D.A. Pennebakers Doku „Don’t look back“ von 1966. Erstaunlich: Bob Dylan spricht. Über sich, scheinbar ohne Ironie. Und er lächelt sogar ein bisschen.

Der Film unternimmt eine Reise durch die Geschichte der Folkmusik, zeigt Legenden wie Woody Guthrie und Johnny Cash bei Auftritten und taucht ein in die Künstlerszene New Yorks.

Ehemalige Weggefährten Dylans kommen zu Wort: Folk-Sänger Pete Seger etwa erzählt, wie ihm Bob Dylan einst die halbe Plattensammlung klaute. Beatpoet Allen Ginsberg berichtet von Dylans Treffen mit den Beatles, und Joan Baez versteht es wunderbar, ihren ehemaligen Partner zu imitieren: mit meckerndem Lachen und vernuscheltem Irrsinn.

Gleichzeitig ist der Film ein spannendes Dokument amerikanischer Geschichte zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung und dem Beginn einer jugendlichen Protestkultur.

Etliche Gerüchte wabern um des Meisters Namensfindung. Eins davon: Er habe sich nach dem Dichter Dylan Thomas benannt. Was sagt er selbst dazu? Mit undurchdringlichem, grünäugigem Blick ins Leere: Er habe halt irgendeinen Namen genommen, damals, „I did’nt relate to anything“. Das glaubt man ihm sofort, wie er dasitzt, eigenartig autistisch. Und man glaubt auch Joan Baez, wenn sie sagt: „War er gut drauf, hatte man einen Riesenspaß mit ihm. Aber dann war er wieder völlig unzugänglich. Es ist unmöglich, Bob Dylan jemals zu verstehen.“

Gerade deswegen haben es Intellektuelle und Fans über die Jahrzehnte immer wieder versucht. Der Film schafft ein differenziertes Bild Dylans, ist ganz nah dran, wird aber im entscheidenden Moment immer wieder abgestoßen. So wie sich der Pop-Poet den Journalisten verweigert und sie mit ironischen Gegenfragen vorführt, macht er es auch mit seinem Publikum. Er bricht Erwartungen, karikiert sie. Als er seine Gitarre an einen Verstärker anschließt, wird er am 17. Mai 1966 von einem enttäuschten Fan mit einem lauten „Judas!“ auf der Bühne begrüßt. Dylans Antwort, zur Band: „Play fucking loud.“ Kirsten Reinhardt