Wirtschaftssenator im Glück

Bremen hat nach dem aktuellen Wirtschaftsbericht den Anschluss an den Bundesdurchschnitt gefunden – jedenfalls seit 1998. Dennoch kann sich Kastendiek „bessere Zahlen vorstellen“

von Klaus Wolschner

Die voll verglaste Penthouse-Etage des ehemaligen Eduscho-Gebäudes am Europahafen, sechs Stockwerke hoch und mit Rundblick über die Überseestadt, hatte Wirtschaftssenator Jörg Kastendiek (CDU) ausgesucht, um den „Jahreswirtschaftsbericht“ vorzulegen. 60 Seiten Hochglanz mit der Botschaft in Wort und Bild: „Ich bin zufrieden, aber natürlich kann ich mir bessere Zahlen vorstellen.“ Neben dem diesigen Wetter trübte den Ausblick von dem symbolischen Ort auch die Tatsache, dass die fünf Stockwerke über dem Glashaus von dem ehemaligen Kasteramt angemietet sind, einer kommunalen Behörde. Das signalisierte: Die öffentliche Hand muss auch im Überseehafengebiet noch weite Strecken vorangehen, bevor private Investoren folgen.

Die Ziele aus dem Jahre 1993, als das Sanierungsprogramm skizziert wurde, seien „so nicht erreicht“ worden, räumte Kastendiek auf Nachfrage ein, aber es sei gelungen, sich dem Bundestrend wieder „anzuhängen“. Dieser „mühselige Weg“ müsse auch nach dem Ende der Sanierungshilfen fortgesetzt werden. Eventuell müsse „die Wirksamkeit der Maßnahmen verbessert“ werden, die „Förderschwerpunkte anders justiert“ werden. Um gegen die hohe Arbeitslosigkeit deutlichere Wirkung zu erzielen, wäre „ein stärkeres Wachstum erforderlich“.

Der Zeitraum 1993 bis 2005 könne „nicht als Sanierungszeitraum bezeichnet werden“, stellt der Bericht fest. In diesem Zeitraum nahm die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bundesgebiet um 8,5 Prozent ab, im Land Bremen um 11,9 Prozent. Diese Zahlen belegten „keineswegs das Scheitern der investiven Strategie“. Der Bericht setzt 1998 als Anfangsdatum – vier Jahre nach Beginn der Sanierungshilfen. Damit sieht die Welt schon besser aus: 3,8 Prozent Arbeitsplatzverlust im Bundesdurchschnitt, nur 3,1 Prozent in Bremen. Beim Wirtschaftswachstum konnte Bremen, nimmt man den Zeitraum ab 1996, den Durchschnitt der westdeutschen Länder fast erreichen und lag sogar, unterstreicht der Jahreswirtschaftsbericht, knapp vor Hamburg. Der Bericht nennt nicht die absoluten Werte: Hamburgs Wirtschaftskraft, gemessen in „Bruttoinlandsprodukt“ (BIP), lag 2005 bei 46.000 Euro pro Einwohner, Bremens bei 37.000 Euro. Um Metropolen wie Hamburg bei den Kennziffern der Wirtschaftskraft einzuholen, müsste Bremen über Jahre überdurchschnittliche Wachstumsprozente vorweisen.

Der Bericht verschweigt aber nicht, dass der Strukturwandel der bremischen Wirtschaft längst nicht gegriffen hat. Immer noch ist Bremen hauptsächlich ein Industriestanddort. Der Abbau bei Daimler schlägt direkt in die Statistik. Zum Dienstleistungsbereich zählen die Statistiker 17 Prozent der Beschäftigten in Bremen, Tendenz derzeit stagnierend. In Hamburg sind es 27 Prozent. Ein besonderes Problem der bremischen Wirtschaftsstruktur ist die geringe Zahl von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Das liegt sicherlich daran, dass Großbetriebe wie Daimler ihre FuE-Abteilungen am Stammsitz haben. Größere Forschungsaktivitäten, die Bremen vorzuweisen hat, liegen auf den hochspezialisierten und staatlich finanzierten Feldern der Raumfahrtindustrie und Rüstungselektronik – mit wenig Ausstrahlung auf „normale“ industrielle Bereiche. Kastendiek will eine „engere Verknüpfung der Industrieunternehmen mit der öffentlichen FuE-Infrastruktur vor Ort“ erreichen. Im Bericht heißt es: „Das Land Bremen muss die Innovationsaktivitäten der Unternehmen steigern.“