Die Alte Dame spielt mit

Die französische Nationalmannschaft wirkt verunsichert. Ein Grund dafür: Drei der wichtigsten Spieler stehen beim Skandalclub Juventus Turin unter Vertrag und vor einer ungewissen Zukunft

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Es war ein geruhsames Beisammensein. Der französische Premierminister Dominique de Villepin und Sportminister Jean-François Lamour waren ins Trainingslager der französischen Nationalmannschaft nach Clairefontaine gekommen, um mit Spielern und Trainern zu speisen. Einen Tag nach dem 1:0-Sieg der Franzosen gegen Mexiko, bei denen einige der Stars von einem Großteil des Publikums ausgepfiffen worden waren, wurde über die großen Pläne der Mannschaft für das Turnier in Deutschland geredet. Die üblichen Phrasen wurden gedroschen. „Die französische Nationalmannschaft ist ein Symbol“, meinte der Regierungschef: „Beinahe die ganze Nation ist auf dem Rasen repräsentiert und vereint.“

Über Probleme in der alternden Equipe wurde kaum gesprochen. Auch der Torwartstreit, der im Trainingslager in Tignes eskaliert war, nachdem der von Trainer Raymond Domenech verschmähte Grégory Coupet sich von der Mannschaft abgesetzt hatte, wurde vom Sportminister nur als Episode bezeichnete, die dazu beitragen könne, die für ein Turnier nötige Aggressivität zu steigern. Die hatte die Mannschaft beim Spiel gegen Mexiko vermissen lassen. Die anstrengenden Bergtouren in den französischen Hochalpen steckten den Spielern wohl noch in den Beinen.

Doch es gibt noch etwas, was die Mannschaft derzeit verunsichert. Drei der wichtigsten Akteure stehen vor einer äußerst ungewissen Zukunft. Denn David Trezeguet, Patrick Vieira und Lilian Thuram stehen bei Juventus Turin unter Vertrag, jenem Verein, dessen ehemaliger Manager Luciano Moggi unter Verdacht steht, die Meisterschaft 2005 zugunsten von Juventus manipuliert zu haben. Dem Club droht die Strafversetzung in die zweite Liga. Erste Gerüchte machen die Runde in Clairefontaine. Trezeguet, der ehedem so treffsichere Stürmer, hinter dem eine durchwachsene Saison liegt, wird angeblich von Inter Mailand umworben. Auch der FC Barcelona soll nach dem gescheiterten Transfer von Tierry Henry schon Interesse bekundet haben. Patrick Vieira wird mit Real Madrid in Verbindung gebracht und Lilian Thuram könnte in die französischen Liga zurückkehren, wenn er sich nicht für ein lukratives Engagement am arabischen Golf entscheidet. Tief in die Tasche greifen müssen die Interessenten allemal. Vieira verdient bei Juventus geschätzte 6 Millionen Euro im Jahr, seine beiden Kollegen nur unwesentlich weniger. Noch steht allerdings nicht fest, ob die „Alte Dame“ wirklich absteigen muss.

Die italienische Industriellenfamilie Agnelli, die die Mehrheit am Club besitzt, hat das Heft des Handelns in die Hand genommen. Die Agnellis haben angekündigt, im Falle eines Zwangsabstiegs, der mit massiven Einnahmeverlusten verbunden wäre, den Club unbedingt retten zu wollen. Dabei geht es um große Summen. So sollen die Gehälter von einigen der Stars übernommen werden. Juve-Kapitän Alessandro del Pierro soll den Eignern dabei besonders am Herzen liegen.

Aber auch die drei französischen Stars könnten dazu verdonnert werden, in der zweiten Liga zu spielen. Wollen sie das nicht, müssen sie sich auf eine Regelung des Weltfußballverbands Fifa berufen, die es Spielern, die älter als 28 sind, ermöglicht, sich aus ihren Verträgen herauszukaufen.

Offen wird über dieses Thema derzeit nicht geredet in der französischen Nationalmannschaft. Der Fall Juventus ist allzu heikel. Zu ungewiss sind die Folgen des Falles, in dem die Ermittler der Staatsanwalt beinahe täglich neue Zeugen vernehmen. Das betrifft mehrere Mannschaften, die sich für die WM in Deutschland viel vorgenommen haben. Pavel Nedved, der tschechische Mittelfeldspieler, hängt, was seine Zukunft betrifft, ebenso in der Luft wie viele Spieler der italienischen Nationalmannschaft.

Dort sorgt der Fall Moggi ohnehin ständig für Unruhe. Juve-Verteidiger und Nationalmannschaftskapitän Fabio Cannavaro wurde vom kommissarischen Präsidenten des italienischen Fußballverbandes Guido Rossi abgewatscht, nachdem er Moggi als „guten Mann in seinem Job“ bezeichnet hatte. „Wer Fehler gemacht hat, muss dafür zahlen“, erklärte Cannavaro nach der Präsidentenschelte.