Lea Rosh mag keine nackten Nazis

Kurz vor dem Anpfiff der Fußball-WM fordern Lea Rosh und der Schriftsteller Ralph Giordano die Beseitigung der NS-Skulpturen auf dem Olympia-Gelände. Anlass ist eine Schau im Kolbe-Museum. Sport- und Kultursenator gegen Geschichtsverdrängung

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Während im Olympiastadion – trotz seiner NS-Geschichte – offenbar problemlos gekickt werden kann, erhalten die Skulpturen auf dem Olympiagelände keine Absolution. Im Gegenteil. Die monumentalen Statuen und Reliefs bleiben unter NS-Generalverdacht und geben kurz vor der Fußball-WM erneut Anlass zum Streit.

Zehn Tage vor dem Anpfiff fordern der Publizist Ralph Giordano und die Initiatorin des Holocaust-Mahnmals, Lea Rosh, die Verhüllung beziehungsweise die Schleifung der Figuren. Giordano sagt wütend: „Weg mit den Dingern am Olympiastadion.“ Die Riesenplastiken sollten am besten „verschrottet“ werden. Kultur- und Sportverwaltung reagierten gestern mit Ablehnung auf die Abriss-Diskussion. Man halte nichts von solcher Art Geschichtsverdrängung, hieß es. Auch Ursel Berger, Direktorin des Georg-Kolbe-Museums, widerspricht einer Denkmal-Entsorgung. Ihr Haus hat mit einer gestern eröffneten Ausstellung zu den Plastiken den Anlass für die Attacken geliefert.

Lea Rosh bekräftigte gegenüber der taz ihre Ablehnung. Die Figuren, die 1936 zur Überhöhung der Spiele gestaltet und rund um das Olympiastadion, am Maifeld sowie am Deutschen Sportforum platziert worden waren, gehörten heute nicht mehr in den öffentlichen Raum. Vor allem die Arbeiten von Hitler-Liebling Arno Breker, einem „Obernazi“, müssten verschwinden. Rosh, sonst für Aufklärung der Nazizeit bekannt, forderte, Brekers Plastiken am Jahnplatz zumindest zu „verhüllen“.

Dass sich WM-Besucher resistent gegenüber den faschistischen Muskelmännern aus Stein zeigen könnten oder das Denkmalareal durch eine Entfernung beschädigt würde, sieht Giordano nicht. „Die Figuren sind verlogen. Sie zu verhüllen, das wäre symbolisch. Symbolisch dafür, wie Deutschland mit seiner Nazi-Vergangenheit umgegangen ist, nämlich nicht konsequent genug“, so der Publizist in der B.Z.

Für Museumschefin Berger erinnern diese Argumente an die Debatte Anfang der 1990er-Jahre: Im Rahmen der – kläglich gescheiterten – Berliner Olympiabewerbung seien die bis zu sechs Meter hohen Skulpturen damals als „in Stein gehauener Rassenwahn“ bezeichnet worden. Man hätte ihre Entfernung empfohlen, obwohl die Kritik in einem deutlichen Missverhältnis zu den historischen Quellen stand, so Berger gestern.

Viele Bildhauer, darunter Kolbe oder Marcks, hätten die Plastiken nicht als Chiffren des NS-Herrenmenschenwahns, sondern als Kunst am Bau und formale Aufgabe verstanden. Künstler wie Karl Albiker, Arno Breker, Josef Thorak oder Joseph Wackerle konstituierten dagegen in den Diskuswerfern und Rosseführern die Nazi-Ästhetik.

Torsten Wöhlert, Sprecher von Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) sagte, Flierl und Sportsenator Klaus Böger (SPD) hätten mit der „ ‚Historischen Kommentierung‘ eine informative und reflektierte Auseinandersetzung über die Geschichte des Reichssportfeldes geschaffen“. Diese Kommentierung umfasse auch die Skulpturen. Rechtzeitig zur WM sei der 45 zweisprachige Tafeln umfassende Rundgang auf dem Gelände fertig gestellt worden. Aufklärung, keine Beseitigung von Kunstwerken aus der NS-Frühzeit sei der Anspruch gewesen, so Wöhlert.