Demonstrieren gegen Hartz IV – aber wofür?

Eine Großdemo soll den Arbeitslosenprotest beleben. Doch den Gewerkschaften sind die Forderungen zu radikal

BERLIN taz ■ Samstag, 13 Uhr, Berlin-Alexanderplatz: Es soll die erste Massendemonstration gegen die große Koalition werden. Der Startschuss für eine neue Bewegung, in der sich Erwerbsloseninitiativen, gewerkschaftliche sowie linke Gruppen und Parteien zusammen finden – gegen die Hartz-Gesetze. Inzwischen spricht einiges dagegen, dass das gelingt. Ver.di-Chef Frank Bsirske hat sich als Hauptredner für die Abschlusskundgebung schon abgemeldet. Das Problem: Die Unterstützer können sich nicht auf gemeinsame Forderungen einigen.

Auf den Transparenten werden 10 Euro Mindestlohn gefordert, die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes II auf 500 Euro. Auch zum „zivilen Ungehorsam“ wollen die DemonstrantInnen auffordern. „Wir hätten nichts gegen französische Verhältnisse“, sagt Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forums Deutschland.

Das kann die Gewerkschaftsspitze nicht gutheißen. Nur einige Basisgruppen haben ihren Namen unter den Demo-Aufruf gesetzt. Auf den offiziellen Gewerkschafts-Websites sucht man vergeblich nach dem Termin.

„Es ist selbstverständlich, dass wir nicht mobilisierten“, sagt Ver.di-Referent Bernhard Jirku, „weil wir diese Forderungen nicht vertreten.“ Wenn er dennoch bei der Abschlusskundgebung rede, dann um die „zerstörerischen neoliberalen Strategien“ zu bekämpfen. Und schließlich fordert auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) einen Mindestlohn: 7,50 Euro.

Die Demo sei „ein Solo von bestimmten Gruppen“, sagt Jirku. Diese hätten „kein Augenmerk darauf gelegt, eine breite Plattform zu schaffen“. Neben dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac und der Linksfraktion im Bundestag wird der Protest unterstützt von der Montagsdemo-Szene, der MLPD sowie der DKP. Da verwundert es wenig, wenn der DGB die Demo offiziell „nicht kommentiert“. Kurz vor der Demo bemühen sich beide Seiten um versöhnliche Töne. Die Hoffnung auf „französische Verhältnisse“ in Deutschland sei ohnehin „illusionär“, räumt Erwerbslosenaktivist Behrsing ein. Vielmehr wolle man „auf die Gewerkschaften zugehen“. Ver.di-Mann Jirku wiederum versichert, die Gewerkschaft werde weiter gegen Sozialabbau zu Felde ziehen. „Wir haben uns nicht durch die große Koalition umgarnen lassen.“ JAN ZIER